Flaschenpostbote Knut hat es ganz schön leicht
Flaschenpostbote Knut hatte sich für seine Frühschicht fertig gemacht. Die Uniformjacke saß perfekt, auf seinem Kopf verdeckte die Schirmmütze seine grauen Haare und der der kleine Seestern auf seiner Brust, der ihn als Flaschenpostbote auswies, grinste breit.
»Hallo!«, sagte Enno mit seiner ungewöhnlich tiefen Stimme zu Knut.
Knut selber schüttelte lächelnd den Kopf. »Heb dir die Begrüßungen für die Tour auf, kleiner Seestern.«
Der Meermann schulterte seine lederne Umhängetasche, warf einen letzten Blick in das Lager und erschrak.
»Beim Neptun! Was ist denn das?«
In der Ecke hinter der Tür stand ein großes Paket, das er beinahe übersehen hatte.
»Das kann ich nicht allein tragen. Egal wie schwer es ist, es ist viel zu groß.«
Er holte sich Hilfe bei seinem Kollegen Fiete, der als Krake mit seinen acht Armen wunderbar zupacken konnte. Gemeinsam brachten sie das Paket, das überraschenderweise sehr leicht war, nach draußen.
Zu zwei transportierten sie das sperrige Paket durch die Straßen der Stadt. Immer wieder eckten sie an Laternenmasten an, konnten kaum die Farbe der Ampeln erkennen und versperrten ständig den anderen Passanten den Weg, bis sie nach Stunden endlich den Empfänger erreichten.
»Für solche Sendungen brauchen wir in Zukunft ein Fahrzeug. Anders können wir riesige Pakete nicht sicher durch die Stadt bringen.«
Knut und Fiete stellten den riesigen Karton ab und klingelten. Wenige Sekunden später stand eine Meerjungfrau in der Tür, die sich schon sehr freute. »Da ist es ja endlich. Ich habe schon ganz ungeduldig gewartet.«
Schwungvoll riss sie den Karton auf. Tausende Luftblasen stiegen daraus auf und entschwanden Richtung Meeresoberfläche. Der Rest des Pakets war leer.
»Moment mal!«, sagte Knut. »Wir haben das Ding stundenlang durch die Stadt getragen, damit ein paar Luftblasen aufsteigen können?«
»Ja!«, rief die Meerjungfrau begeistert. »Sind die Blasen nicht bezaubernd? Ich könnte sie mir jeden Tag aufs Neue anschauen.«
Sie verschwand wieder ins Haus und schloss ohne ein weiteres Wort die Tür hinter sich.
(c) 2021, Marco Wittler
Bild: Nik Karlov auf Pixabay
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