Franz Faultier ist faul
Die kleine Ameise war im südamerikanischen Dschungel auf Futtersuche. Normalerweise fand sie immer recht schnell etwas Brauchbares. Hin und wieder lag eine Frucht am Boden, die nur noch eingesammelt werden musste. Doch das war an diesem Tag nicht der Fall. Sie entschied sie, auf einen hohen Baum zu klettern.
Es war ein beschwerlicher Aufstieg. Die Rinde des Baums war tief zerfurcht. Dazu kamen immer wieder Blätter und Ranken einer Pflanze, die selbst am Stamm hinauf kroch.
Irgendwann, nach einer quälend langen Zeit, setzte sich die kleine Ameise auf einen Ast und sah sich erschöpft um. Von hier oben hatte man einen unglaublich schönen und weiten Ausblick über den Dschungel.
»Wow. Ist das schön hier.«, staunte sie und hätte dabei fast vergessen, warum sie diese vielen Strapazen überhaupt auf sich genommen hatte.
»Jetzt ist aber genug gefaulenzt.«, ermahnte sie sich selbst und machte sich wieder auf die Suche. Schnell war eine große, gelbe Frucht gefunden, die sie nur noch lösen und zu Boden fallen lassen musste. Doch da entdeckte sie ein großes Tier, dass unter der Frucht an einem Ast hing. Es hatte die Augen geschlossen. Sein braunes Fell war von Algen überwuchert und unzählige Insekten tummelten sich darin. War es vielleicht schon tot?
»Hallo?«, fragte die kleine Ameise.
Das Tier vor ihr öffnete ganz langsam die Augen, fixierte die Ameise und verzog in Zeitlupentempo die Mundwinkel zu einem Grinsen.
»Hallo.«, antwortete es erfreut. »Was führt dich zu mir? Bist du ein Besucher?«
»Ich bin die kleine Ameise.«, sagte die kleine Ameise. »Und nein, ich wollte dich nicht besuchen. Ich bin auf Futtersuche.«
»Mein Name ist Franz. Ich bin ein Faultier und dazu noch hundemüde.«
Die kleine Ameise sah sich um und musterte dann wieder das Faultier. »Lümmelst du etwa den ganzen Tag hier herum und machst gar nichts?«
Franz grinste nun noch breiter, als er es eh schon tat. »Ja. Ist das nicht ein schönes Leben?«
Die Ameise schüttelte den Kopf. »Das verstehe ich nicht. Du brauchst doch etwas zu Fressen. Wenn man den ganzen Tag faul ist und nichts macht, wird man verhungern. Meine Familie und ich, wir sind von früh bis spät auf Futtersuche, damit niemand verhungern muss.«
Franz überlegte kurz und zuckte dann ganz langsam mit den Schultern.
»Die Natur mich als Faultier erschaffen. Die Natur sorgt auch dafür, dass ich nicht hungern muss. So einfach ist das.«
Die Ameise schüttelte erneut den Kopf. »So kann das doch gar nicht funktionieren. Woher bekommst du Futter?«
Das Faultier schloss die Augen, kniff sie zusammen und furzte so laut, dass die Äste in der Umgebung zu zittern begannen. Sekunden später löste sich die gelbe Frucht, die sich die Ameise als Speise ausgesucht hatte und landete im Maul von Franz, der sie ganz langsam, genüsslich und schmatzend aß.
»Siehst du? Die Natur sorgt für mich. Ich kann also weiter hier hängen bleiben und faul sein.«
Die kleine Ameise seufzte und machte sich auf den Rückweg zum Boden. Jetzt musste sie etwas Neues zum Futtern suchen.
(c) 2021, Marco Wittler
Image by Alexandra_Koch from Pixabay
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