Der kleine Geist albert rum
Zur Geisterstunde kam der kleine Geist aus seinem Versteck auf dem Dachboden der alten Burg. Um sich in der kommenden Nacht die Zeit zu vertreiben, traf er sich mit seinen Freunden, den anderen Geistern, im großen Thronsaal.
Eine Weile spukten sie hier herum, schwebten von der einen zur anderen Seite und von einer Ecke zur nächsten. Doch das wurde sehr schnell langweilig, denn es war niemand da, der sich vor ihnen fürchten konnte.
»Ich habe da eine viel bessere Idee.«, schlug der kleine Geist vor. »Ich habe eine ganze Weile geübt und kann nun meinen Körper verändern.«
Er kniff die Augen zusammen, konzentrierte sich und verformte sich zu einem Luftballon. Die anderen Geister staunten Bauklötze.
»Das geht aber noch besser. Ich kann auch einen Stern.«
Vom Stern ging es zu einer Qualle, weiter zu einem Eichhörnchen und zu einem Wolf. Die Begeisterung der anderen Geister war überwältigend.
Der kleine Geist grinste. »Ich kann aber auch unsere Freunde nachmachen.«
Schon verwandelte er sich in ein Monster, eine Mumie und in ein altes Skelett mir einer rasselnden Kette am Fuß.
»Aber ganz besonders lustig ist es, wenn ich den Vampir aus dem Verlies nachahme.«
Wieder konzentrierte sich der kleine Geist, bis er nach ein paar Sekunden wie der alte, blasse Blutsauger aussah. Dabei bemerkte er nicht, wie sich jemand von hinten näherte.
»Mir wäre es lieb, wenn du aufhören würdest, mich nachzuäffen.«, sagte der Vampir. »Wenn ich mich selbst sehen will, muss ich nur in den Spiegel schauen.«
In diesem Moment wurde im schmerzlich bewusst, dass das eines der wenigen Dinge war, die er eben nicht machen konnte.
»Ach, vergiss es. Mach mich ruhig nach. Dann kann ich mir auch mal in die Augen schauen.«
(c) 2021, Marco Wittler
Image by Ricarda Mölck from Pixabay
Antworten