1104. Ich entkam der Teufelshöhle (Mann und Manni 45)

Ich entkam der Teufelshöhle

Es war, du wirst es dir als treuer Leser meiner Berichte wohl schon denken können, Tiefe Nacht. Es gab nur wenig Licht, das es bis in unserer Wohnzimmer schaffte, denn der Himmel war von dicken Wolken verhangen, die Sterne und Mond über sich versteckten, und die einzige Laterne in der Nähe hatte schon vor Wochen ihren Geist aufgegeben.
Ich hatte es mir am Abend in einer der vier Schlafhöhlen meines großen Kratzbaums gemütlich gemacht und schlief tief und fest. Damit war ich dann auch der Einzige, der schlafen konnte, denn durch die einzigartige Form meiner Höhle hatte ich einen wunderbaren Klangkörper um mich herum, der mein Schnarchen um einige Dezibel verstärkte. Kurz gesagt, es war so laut, dass meine Mitbewohner, Katzen und Menschen, mit müden, roten Augen auf den Moment warteten, in dem ich aufwachte. Doch den Gefallen tat ich ihnen einfach nicht.
Irgendwann hatte die Frau, die ihren Kopf schon vor einer ganzen Weile unter ihrem Kopfkissen vergraben hatte, die Faxen dicke. Sie kam aus ihrem Versteck hervor und stupste den Mann mit dem Zeigefinger in die Seite.
»Sorg endlich dafür, dass der Kater Ruhe gibt. Ich muss Morgen wieder zur Arbeit und brauche meinen Schlaf.«
Der Mann, der selbst verschiedene Möglichkeiten der Geräuschreduzierung versucht hatte, seufzte und mühte sich aus dem Bett. Er kam ins Wohnzimmer geschlurft, stellte sich vor meiner Höhle auf und klopfte an.
»Manni!«, sagte er zuerst leise, wurde aber mit jeder weiteren Erwähnung meines Namens lauter. »Manni! Aufwachen!« Seine Stimme wurde langsam wütend. Irgendwann verließ in seine Geduld. Er griff mit der Hand zu mir herein, packte mich am Rücken und schüttelte mich durch. Aus meinen Träumen riss mich das aber nicht. Ich blieb im Land der Träume und schnarchte einfach weiter.
»Verdammt nochmal! Wach endlich auf. Der Lärm ist ja nicht zu ertragen.«
Mittlerweile rüttelte er am Kratzbaum, dass die Mini-Mietze, die sich ganz oben auf einem Podest befand, sich nur mit Mühe und Not festkrallen konnte. Auch die anderen Mitglieder meiner WG, mein Bruder Lord Schweinenase und der Bengale, bekamen es mit der Angst zu tun und flüchteten unter das Bett im Schlafzimmer.
»Das glaube ich jetzt nicht. Ich rufe, ich schreie, ich brülle, ich lasse ein mittelschweres Erdbeben über den Kater ergehen. Er wacht aber nicht auf. Was soll ich denn jetzt noch machen?«
Zu gern hätte er mich aus meiner Höhle gezerrt und irgendwo im Keller wieder abgelegt, aber für einen stattlichen Kater wie mich und zwei Hände war die Öffnung einfach zu klein.
Schließlich schritt die Mini-Mietze zur Tat. Sie sprang vom Kratzbaum, trottete ins Bad und gab dem Wasserhahn einen gekonnten Tritt mit der Hinterpfote.
Ein kleiner Wassertropfen löste sich vom Hahn, fiel herab und platschte leise in das Becken darunter. Ich schreckte panisch hoch und sah mich um. Ich wollte mich vergewissern, dass die anderen das Geräusch ebenfalls gehört hatten und wollte schnell herausfinden, ob uns ein Wasserschaden wegen eines Lecks in der Leitung drohte.
Ich drehte mich mühsam in meiner Höhle um, kroch nach draußen und blieb mit meinem Hintern stecken.
Ich blitzte meine Mitbewohner böse an und gab ihnen erstens zu verstehen, dass ich jeden Lacher bestrafen würde. Zweitens wollte ich wissen, wer den Eingang während meines Nickerchens verkleinert hatte.
»Da war das Abendessen wohl etwas üppiger.«, kommentierte der Mann meine missliche Lage schnippisch. Dann wandte er sich dem Schlafzimmer zu und schlurfte zurück. »Ich glaube, wie können endlich schlafen. Der Kater ist jetzt wach.«
Wie? Was? Ich sollte hier jetzt die nächsten Stunden hängen bleiben? Was für eine blöde Idee war denn das? Ich brauchte Hilfe und zwar dringend, aber von wem?
Die Menschen schieden aus. Sie lagen bereits wieder unter ihren Decken. Lord Schweinenase und der Bengale waren nicht zu sehen. Die Mini-Mietze machte sich gerade wieder auf den Weg hinauf zu ihrem Schlafplatz. Als sie auf meiner Höhe angekommen war, blickte sie mich mitleidig an. Dann schlug sie plötzlich zu und ließ mich ihre Krallen spüren.
Ich schrie auf, sprang aus der Höhle, landete unsanft auf dem Boden und rieb mir den schmerzenden Rücken. Sie nickte mir zu und verzog sich.

Endlich frei. Auf den Schrecken brauchte ich erstmal ein üppiges Nachtmal und begann, die Futterschüsseln am Boden zu leeren.

(c) 2021, Marco Wittler


Image by Nina Garman from Pixabay

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