1124. Soap

Soap

Mit dem Herbst war auch die Dunkelheit und der ständige Regen gekommen. Nach dem Abendessen war es Zeit geworden, ins Bett zu gehen. Doch Elli war noch nicht nach Schlaf. Sie stand am offenen Fenster und lauschte in die Nacht hinaus. Sie spürte, dass dort draußen die Welt in Gefahr war. Sie wusste, dass jemand darauf aus war, andere ins Unglück zu stürzen. Es brauchte eine Heldin, die alles wieder ins Lot bringen konnte – Eine Superheldin.
»Gute Nacht!«, rief Elli ein letztes Mal und wusste, dass nun niemand mehr in ihr Zimmer kommen würde. Sie öffnete das Geheimfach an ihrem Kleiderschrank, holte den weißen Anzug und die Augenmaske hervor. Sie legte ihr Nachthemd an und schlüpfte in das Kostüm, in dem sie niemand erkennen würde. Elli blieb in diesem Zimmer zurück. Aus dem Fenster im Erdgeschoss stieg Soap in den Garten, zwängte sich durch eine Lücke in der Hecke und machte sich auf den Weg, das Verbrechen zu bekämpfen.
In schnellem Lauf ging es ins Stadtzentrum. Soap suchte die Polizeiwache auf und hockte sich unter das offene Fenster. Nirgendwo konnte sie besser und schneller an die Informationen gelangen, die sie brauchte.
In diesem Moment wurde das aufgeklappte Fenster komplett geöffnet und ein Kopf kam hervor. Die Polizistin wusste sofort, wo sie zu suchen hatte und sah nach unten.
»Verdammt, Soap. Wie soll ich dir noch sagen, dass das nicht in Ordnung ist? Wenn dich die anderen irgendwann hier entdecken, ist der Teufel los.«
Soaps Gesicht lief rot an. Sie lächelte verlegen. »Tut mir leid. Du weißt doch, dass ich nur helfen will. Ich habe ganz andere Möglichkeiten.«
Die Polizistin seufzte und ließ einen kleinen Notizzettel fallen. »Huch, wie konnte mit der nur aus den Fingern gleiten? In der Dunkelheit finde ich den niemals wieder.« Sie zog sich zurück und kippte das Fenster wieder an.
»Danke.«, flüsterte Soap und machte sich auf den Weg.
Der Weg war nicht weit. Wenige hundert Meter weiter war eine Bank, vor der sich mittlerweile einige Fahrzeuge der Polizei und unzählige Beamte versammelt hatten. Offensichtlich war das Verbrechen hier vor Ort. Der Schurke, den Soap nur zu gut kannte, hatte sich hier mit Geiseln verschanzt und verlangte freien Abzug. Die Beute wollte er freilich auch nicht zurück lassen.
In seiner Wut, die erfahrungsgemäß keine Grenzen kannte, rammte er seinen massigen Körper ein ums andere Mal gegen die Glastüren, die laut schepperten.
»Ist es wieder der Mugel?«, ging Soap auf den Einsatzleiter zu.
Der Mugel, halb Mensch, halb Kugel, hatte seinen Körper durch ein Experiment zu einer stahlharten Kugel verwandelt, die alles platt walzen konnte.
Der Beamte drehte sich überrascht zu ihr um. »Soap? Du kannst da nicht rein. Er hat Geiseln genommen. Er wird ihnen etwas antun, wenn wir dem Gebäude zu nahe kommen.«
Soap nahm die Szenerie ins Auge, versuchte die Lage einzuschätzen.
»Mugel kennt und hasst mich. Ich habe ihn schon mehrfach die Suppe versalzen. Wenn er mich sieht, wird mich fertig machen wollen. Er wird einen Fehler begehen und dann schnappen wir ihn uns.«
»Soap, du weißt, dass ich das nicht …«
Aber da war sie schon weg und lief auf die Bank zu.
»Verdammt! Was soll das?«, wurde der Mugel wütend. »Ich hatte doch gesagt, dass niemand näher kommen … oh, Soap. Das ändert alles.«
Er machte ein paar Schritte zurück. Zog Beine, Arme und Kopf an den Körper und rollte auf sie zu. Er durchbrach die Glasfront des Gebäudes und richtete große Zerstörungen an.
»Ich kriege dich Soap. Diesmal kriege ich dich. Ich walze dich platt.«
Soap musste ihm immer wieder ausweichen und kam gar nicht erst dazu, ihren Erzfeind zu stoppen. Doch dann blieb er zwischen einer Hausfront und einem Fahrradständer hängen. Soap nahm Aufstellung, richtete ihre Arme auf den Mugel. Dieser befreite sich und rollte weiter.
Soap konzentrierte sich, lenkte all ihre Energie auf ihre Gabe und ließ Seifenschaum aus ihren Händen spritzen.
Der Mugel kam ins Schleudern, konnte nicht mehr die Richtung halten und krachte in einen Polizeitransporter.
Nun ging es um Sekunden. Soap rannte auf einen Polizisten zu, nahm ihm die Handschellen ab, die an seinem Gürtel hingen und fesselte ihren Erzfeind. Die Gefahr war erneut gebannt, die Geiseln konnten befreit werden.
Soap hatte ihren Job gemacht. Sie hatte die Stadt zu einem sicheren Ort gemacht.
»Elli?« erklang in diesem Moment Mamas Stimme. »Was machst du da im Bad? Spielst du schon wieder mit dem Seifenspender und meiner Dekokugel? Du sollst dich nur waschen und keinen Blödsinn machen.«
Elli seufzte. Mama erwischte sie immer, wenn es gerade besonders viel Spaß machte. Aber sie war sich einer Sache ganz sicher. Es sollte nicht das letzte Abenteuer von Soap gewesen sein, denn Verbrechen fanden immer und überall statt.

(c) 2021, Marco Wittler


Image by S. B. from Pixabay

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