1213. Haare waschen

Haare waschen

»Wo ist denn der Junge schon wieder geblieben?«
Mama stand in Valentins Kinderzimmer, konnte ihren Sohn aber nicht finden. Eigentlich saß er um diese Zeit immer am Schreibtisch und beschäftigte sich nach den Hausaufgaben mit einem seiner Computerspiele. Doch heute war das Zimmer leer.
»Valentin sollte sich doch noch die Haare waschen, bevor Onkel Mischa vorbei kommt, um sie ihm zu schneiden.«
Es war schon eine praktische Sache, wenn man einen Frisör in der Familie hatte. Im Fall von Mamas Bruder kam dieser auch gern nach Feierabend vorbei und machte die alle Frisuren der Verwandtschaft in einem Rutsch fertig.
»Ich werde den Jungen schon finden. Dieses Mal drückt er sich nicht wieder.«
Mama dachte an den letzten Besuch von Mischa zurück. Da hatte Valentin schon sehr schlimme Haare gehabt. Sie ging von Raum zu Raum. Die Kinderzimmer waren leer, auch das Bad und die Küche. Selbst im Keller, in Papas Werkstatt war er nicht zu finden. Zuletzt kam Mama am Wohnzimmer vorbei. Wenn Valentin hier auch nicht anzutreffen war, konnte es nur noch daran liegen, dass ihr Sohn ihr absichtlich aus dem Weg ging und sich immer wieder neu versteckte.
Langsam öffnete Mama die Tür und schob den Kopf durch den Rahmen. Ihr fiel sofort auf, dass die Katzen nicht wie üblich schlafend auf dem Kratzbaum lagen. Sie saßen auf der Lehne des großen Sofas. Davor lümmelte sich Valentin in die Polster und hatte die Augen geschlossen, während ihm die Katzen genüsslich den Kopf abschleckten.
»Schluss jetzt. Du wäscht dir noch die Haare, bevor Mischa kommt.«
Valentin öffnete langsam die Augen. »Aber warum das denn? Du siehst doch, dass gerade eine Katzenwäsche bekomme. Das muss doch reichen.«
Mama verdrehte die Augen. Sie packte sich die Katzen unter die Arme und setzte sie auf den Kratzbaum. »Und ihr zwei Schlingel bringt mir den Bengel nicht immer auf so dumme Ideen. Habt ihr mich verstanden?«
Valentin seufzte. »Ich gehe ja schon ins Bad.«

(c) 2022, Marco Wittler


Bild von Clker-Free-Vector-Images auf Pixabay

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