1251. Ritter Fridolin und die holde Maid im Mond

Ritter Fridolin und die holde Maid im Mond

Während langsam die Sonne hinter dem Horizont unterging und die funkelnden Sterne ihrer Arbeit nachgingen, kletterte der Mond langsam am Firmament empor.
Es gab nicht viele Menschen, die diesem Naturschauspiel zusahen. Einer von ihnen war Ritter Fridolin von Kieselstein, der ganz allein Wache auf dem Wehrgang der Burg hielt. Er wusste, dass es eine langweilige Nacht werden würde, denn er hatte hier noch nie in der Dunkelheit etwas Aufregendes erlebt. Er hatte sich deswegen an eine der Zinnen gelehnt und gähnte laut.
Eine Stunde nach der anderen verging. Ritter Fridolin konnte sich kaum wach halten. Als dann ein leiser, wunderschöner Gesang, der von einer Harfe begleitet wurde, an sein Ohr drang, glaubte er, eingeschlafen zu sein und bereits zu träumen.
Er zwickte sich selbst in den linken Arm. »Au! Nicht so fest.« Es war also kein Traum, aber woher kam dann der Gesang? War das eine feindliche Armee, die sich damit Mut machte? Ritter Fridolin griff zum Fernrohr und suchte die ganze Umgebung ab. Da war niemand. Die Stimme musste also einen anderen Ursprung haben. Sein Blick streifte zufällig den Mond, der heute Nacht viel näher zu sein schien als sonst. Auf ihm saß eine junge, hübsche Maid, die an ihrer Harfe zupfte und dazu sang.
Ritter Fridolin geriet ins Schwärmen. So einer hübschen Maid war er noch nie begegnet. Er musste sie unbedingt kennenlernen, bevor die Nacht vorüber war.
Er verließ den Wehrgang, ließ die Zugbrücke über dem Wassergraben herab und verließ die Burg.
»Edle Maid, so hört mich an.«, rief er in den Himmel hinauf. »Der Ritter sah Euer Antlitz und war sogleich von Euch betört. Er würde gern mit Euch sein und Eurem wunderschönen Gesang für immer lauschen.«
Sie unterbrach ihr Lied, sah herab und erblickte Ritter Fridolin. Sie lächelte ihn an und errötete.
»Edler Ritter, welch wundervolles Kompliment Euch über die Lippen kam. Ich fühle mich geehrt. Doch kann ich nicht an Eurer Seite sein. Ich kann meinen Mond hier nicht verlassen. Schon bald wird er mit mir wieder hinter dem Horizont verschwinden. Er hält nicht einmal an.«
Die junge Maid sah verzweifelt aus. Das einsame Leben auf dem Mond war bestimmt nicht schön.
»Dann lasst mich Euch vom Mond erretten. Ich werde zu Euch kommen.« Ritter Fridolin dachte nach und suchte nach einem Plan. Dann lief er so schnell zurück in die Burg, dass seine glänzende Rüstung dabei laut schepperte. Nur ein paar Momente später kam er mit einem Seil zurück, an dem sich ein Anker befand.
»Damit werde ich den Mond einfangen und an der Erde anbinden, dann haben wir alle Zeit der Welt.« Er warf das Seil, hatte aber vergessen, das Ende irgendwo anzubinden. Es landete auf dem Mond und blieb dort liegen.
Ein Lächeln stahl sich auf das traurige Gesicht der Maid. »O, Fridolin. Hat mein Antlitz Euch so verzaubert? Ich werde Euch helfen.« Nun war sie es, die das Ende des Seils an einem Mondfelsen befestigte und den Anker zur Erde herabfallen ließ. Dieser verfing sich in einem Baum. Der Mond blieb auf seinem Weg zum Horizont stehen.
Das war die große Chance für Fridolin. Er nahm all seinen Mut zusammen und kletterte am Seil hinauf. Er nahm die Maid in seine Arme und drückte sie an sich.
»Ich möchte Euch mein Herz anvertrauen und Euch aus Eurem Gefängnis befreien. Die Burg, in der ich lebe, ist für Euch bestimmt noch eine gemütliche Kammer frei.«
Die Maid nickte erfreut. »Ich möchte für immer an eurer Seite bleiben, edler Ritter Fridolin. Lasst uns zur Erde aufbrechen.«
Doch in diesem Moment gab es einen kräftigen Ruck. Der Mond befreite sich. Das Seil zerriss. Die Maid war entsetzt. »O weh. Wir sitzen fest. Wir entfernen uns von Eurer Burg.«
Fridolin sah hinab und wusste, dass sie in dieser Nacht nicht mehr würden zurückkehren können.
»Was kümmert mich mein Heim, wenn ich bei meinem Herzen bin.« Er nahm ihre Hand in seine. Sie setzten sich und sahen der Erde nach. »Wenn ich bei Euch sein kann und Eurem Gesang lauschen darf, dann fühle ich mich wohl.«
Die schöne Maid lehnte ihren Kopf an Fridolins Schulter und stimmte ein neues Lied an. Bis zur nächsten Nacht würden sie viel Zeit gemeinsam haben. Danach konnten sie die Heimreise erneut versuchen, wenn sie es denn wollten.
Und wenn sie nicht heimgekehrt sind, dann reisen sie noch heute Nacht für Nacht mit dem Mond um die Erde.

(c) 2022, Marco Wittler

Diese Geschichte wurde von Hendrike inspiriert, die eine wundervolle, kleine Welt in einer Flasche erschaffen hat. Die Nathalie hat ein ebenso wundervolles Gedicht dazu geschrieben. Schau doch mal bei den Beiden vorbei. Du könntest noch sehr viel mehr bei ihnen entdecken.

 

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*