1266. Eine kleine Zauberei

Eine kleine Zauberei

Der kleine Zauberer nach langen Jahren seine einsame Hütte im Wald verlassen. Schon lange war er anderen Zauberern, Magiern und vor allem Menschen aus dem Weg gegangen. Doch nun stand er nach einer Ewigkeit wieder vor den Toren der Schule.
Nervös sah er sich um. Es war niemand in der Nähe. Der Zauberer nahm seine Brille von der Nase, verstaute sie vorsichtig in einem Lederbeutel und betrat das Gebäude. In der riesigen Eingangshalle hingen große Bilder an allen Wänden, die berühmte Zauberer zeigten, die alle in diesen altehrwürdigen Räumen gelernt hatten. Große Namen waren darunter, die auch in der Menschenwelt wohl bekannt waren. Ein Bild von sich selbst suchte der kleine Zauberer aber vergebens. Er hatte es nie zu Ruhm und Ehren geschafft.
Langsam schritt er durch den Gang und suchte mit verkniffenen Augen den richtigen Raum. Ohne seine Brille fiel ihm das besonders schwer. Aber er wollte mit diesem unschönen Hilfsmittel nicht gesehen werden.
Endlich hatte er den Saal der Künste erreicht, trat ein und schritt langsam auf seinen Platz zu. Was stand dort oben an der Tafel geschrieben? Die Teilnehmer des Malkurses, zu denen er auch gehörte, sollten ein Bild malen. Das Thema lautete: Ein dicker Elefant.
Nichts einfacher als das. Der kleine Zauberer griff zu Farben und Pinsel und begann sein Werk. Doch seine schlechten Augen waren im keine Hilfe. Alles, was er auf die Leinwand bannen konnte, waren Kreise mit großen Ohren. Seine Malerei sah nach allem Möglichen aus, nur nicht nach einem dicken Elefanten.
Verärgert holte der kleine Zauberer seinen Zauberstab hervor und murmelte ein paar magische Worte. Aus dem Stab entwich ein leuchtender Nebel, der aber die Leinwand nicht traf, sondern daran vorbei glitt. Er formte sich, bildete sich zu einem Körper. Vor den erschrockenen Augen des Malkurses stand plötzlich ein dicker Elefant mitten im Raum, der laut durch seinen Rüssel trötete.
»Was soll denn das schon wieder?«, schimpfte der Kursleiter. »Ich habe schon mehrfach gesagt, dass hier nicht gezaubert wird und du endlich mal deine Brille aufsetzen sollst. Die Aufgabe ist, dass heute ein edler Diamant gemalt werden soll, nicht ein dicker Elefant.«
Der kleine Zauberer holte seine Brille hervor, setzte sie sich auf die Nase und errötete. Er hatte tatsächlich die Aufgabe falsch verstanden. Schnell lies er den Elefanten verschwinden und begann mit der Aufgabe von vorn.

(c) 2022, Marco Wittler

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