Tante Emmas Laden
Endlich war die Schule vorbei. Ben hatte ganz schnell seine Sachen in den Rucksack gestopft und hatte sich auf den Weg gemacht. Sein Ziel war allerdings nicht sein Zuhause, denn er machte unterwegs einen Zwischenstopp.
Vor einem kleinen Geschäft blieb er stehen und sah zu den bunten Buchstaben hinauf, die über dem Schaufenster angebracht waren. Tante Emmas Laden stand dort geschrieben. Ben griff in seine Hosentasche, holte das wenige Taschengeld hervor, dass er noch besaß und zählte es durch. »Reicht gerade noch.«
Grinsend betrat er den Laden, trat vor die Theke und zeigte auf die Wand dahinter, an der vom Boden bis zur Decke unterschiedlichste Dosen mit Weingummi standen. »Eine gemischte Tüte, bitte.« Er legte das Geld auf die Theke und sah mit großer Vorfreude zu, wie seine Papiertüte gepackt wurde. Dabei stieg ihm bereits der süße Duft von Fröschen, Colaflaschen, Erdbeeren und Tieren in verschiedensten Formen in die Nase.
Nach ein paar Minuten war die Verkäuferin fertig. Sie faltete die Öffnung der Tüte zu und legte sie vor sich hin. Sie nahm die Münzen und packte sie in die Kasse. »War das alles oder kann ich noch etwas für dich tun?«, fragte sie.
Ben überlegte kurz. Mama und Papa wussten, dass er immer wieder Zeit im Laden verbrachte. Sie würden sich also keine Sorgen machen. Er griff noch einmal in seine Hosentaschen, fand aber nur gähnende Leere vor. »Tante Emma, ich würde gern etwas Zeit kaufen, aber ich bin schon pleite.«
Die Verkäuferin lachte. »Du weißt doch ganz genau, dass man sich Zeit nicht für Geld kaufen kann. Außerdem weißt du ganz genau, was ich von dir als Gegenleistung haben möchte.«
Während Ben wissend nickte, holte sie einen kleinen Stapel Zettel unter der Theke hervor und legte ihn zusammen mit einem Bleistift vor Ben ab.
Ben griff danach und begann, mehrere Zettel mit einzelnen Wörtern zu beschriften. Dann faltete er sie und schob sie zurück.
Tante Emma nahm die Zettel, kam hinter ihrer Theke hervor und setzte sich in einen großen, ledernen Ohrensessel. Sie griff zu einer Tasse Tee, nahm einen großen Schluck und bot Ben einen Platz auf einem Sitzsack an.
Sie faltete die ersten Zettel auf und las die ersten Wörter vor. »Was haben wir denn hier? Raumschiff und Hase. Dann erzähle ich dir mal die Geschichte vom ersten Hasen auf dem Mond.«
Und wie Tante Emma es beinahe jeden Tag machte, dachte sie sich eine ganz neue Geschichte aus und fügte mit jedem Zettel einen neuen Teil dazu bei, bis sie nach einer halben Stunde zum Ende kam.
Ben bedankte sich. Er hatte die Zeit wirklich genossen und freute sich bereits auf den nächsten Besuch im Tante Emmas Laden.
(c) 2022, Marco Wittler
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