Ein kleines Häuschen tief im Wald
Tief im Wald, zwischen Bäumen und Sträuchern, einem plätscherndem Bach und einem kleinen Teich, lag ein altes, kleines, völlig windschiefes Häuschen. Auf dem Dach fehlte hier und da so manch Schieferschindel, die Fensterläden quietschten leise im Wind und unter der Dachrinne nisteten mehrere Schwalbenfamilien. Der Knauf der Eingangstür hing schon halb herab und auf dem ungenutzten Kaminschlot hatte ein Storchenpaar sein Nest gebaut. Mit jedem Schritt, den man auf der Terrasse macht, knarzten die Holzbohlen. Doch all das sah und hörte niemand, denn schon seit Jahren hatte sich niemand mehr hierher verirrt.
Die Menschen des nahen Dorfes kannten diesen Ort nur noch aus Erzählungen und Gerüchten. Hinter vorgehaltener Hand sprach man von spukenden Geistern und anderen Geschöpfen der Nacht, die hier hausen und ihr Unwesen treiben sollten. Gesehen hatte sie aber wohl niemand, denn die Angst vor einer Begegnung war zu groß.
Eines Tages kam ein Wanderer des Weges. Er war von weit her gekommen und kannte sich im Wald nicht aus. Immer wieder kam er vom Wege ab, umgestürzte Bäume und hoch gewachsene Sträucher schnitten ihm den Weg ab und drängten ihn nach und nach in eine ganz bestimmte Richtung.
Irgendwann hörte der Wanderer in der Nähe einen kleinen Bach plätschern. Erst da merkte er, dass ihn schon seit längerer Zeit großer Durst quälte. Er folgte dem Geräusch, bahnte sich einen Weg durch eine Hecke und stand schließlich vor dem kleinen Häuschen. Eingeschüchtert wich er ein paar Schritte zurück, doch der Weg wurde ihm nun versperrt. Es schien, als würde der Wald ihn nicht mehr auf den rechten Weg zurückkehren lassen.
»Hallo? Ist das wer?«
Der Wanderer konnte sich nicht vorstellen, dass in dieser alten Hütte überhaupt jemand leben wollte. Trotzdem ging er nur langsam näher heran und versuchte, einen Blick durch die verstaubten Fenster zu werfen.
Er betrat die Treppe, die zur Tür führte. Unter seinen Füßen knarzte es bedrohlich. Würden ihn dich morschen Bretter überhaupt tragen? Der Wanderer legte seine zitternde Hand auf den Türknauf, wollte ihn gerade drehen, als ein helles Etwas an einem der Fenster vorbei huschte.
»Ein Geist.«, schrie der Wanderer erschrocken. »Ich habe einen Geist gesehen.« In Panik rannte er die Treppenstufen herunter, sprang über eine hohe Hecke und wart nie mehr gesehen.
Einen Moment später öffnete sich quietschend die Tür und ein Bär trat nach draußen. Mit seinem großen Pranken brachte er einen Wäschekorb nach draußen.
»Bin gleich wieder da, Schatz. Ich hänge nur eben die Bettlaken auf.«
(c) 2022, Marco Wittler
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