1294. Der alte Leuchtturmwärter und das Licht des Leuchtturms

Der alte Leuchtturmwärter und das Licht des Leuchtturms

Der alte Leuchtturmwärter saß in seinem großen, gemütlichen Ohrensessel und hatte ein dickes Buch auf dem Schoß liegen, in dem er noch vor ein paar Stunden gelesen hatte. Mittlerweile war es tiefe Nacht und er schlief schon etwas länger.
Irgendwann begann er sich wieder zu bewegen. Langsam kam er aus dem Land der Träume zurück. Nach einem lauten Gähnen öffnete er die Augen und sah sich verwirrt um. »Verdammt! Bin ich schon wieder im Sessel eingeschlafen? Da wird sich aber mein alter Rücken Morgen ganz besonders freuen. Auf die Schmerzen freue ich mich jetzt schon.«
Ächzend richtete er sich auf. Erst wollte er Richtung Bett schlurfen und sich unter seiner warmen Decke verkriechen, doch dann blieb er am Fenster stehen. Jetzt war er viel zu wach, um sofort wieder einschlafen zu können.
Er griff zum Fernglas und beobachtete den kaum zu erkennenden Horizont. In der Ferne fuhren ein paar Schiffe durch die Nacht, die sich am Licht des Leuchtturms orientierten.
Irgendwann blieb der Blick des Leuchtturmwärters an einer kleinen Insel hängen, die nicht weit von der Küste entfernt war und auf der ein einzelnes Haus gebaut war. Wer dort lebte und vor allem warum, wusste niemand im Ort. Das hatte aber auch daran gelegen, dass bisher niemand nachgefragt hatte.
In einem der Fenster brannte noch Licht und eine Frau sah nach draußen. Sie schien den Leuchtturmwärter entdeckt zu haben, denn sie lächelte und winkte.
Erschrocken ließ er beinahe das Fernglas fallen. Doch dann sah er noch einmal hin. Die Frau winkte ein weiteres Mal.
»Ich sollte sie besuchen. Aber wie soll ich über das Meer kommen? Um diese Zeit fährt kein Boot mehr raus.« Er überlegte kurz und kam auf eine völlig verrückte Idee.
Schnell lief der Leuchtturmwärter die Treppe nach oben und hielt das rotierende Licht an. Er richtete es auf die Insel aus. Dann betrat er vorsichtig den Lichtstrahl und rutschte auf ihm zur Insel.
Mit gerötetem Gesicht ging er auf das Fenster zu. Er winkte und lächelte, worauf ihn die Frau zu einem Kaffee ins Haus einlud. Es wurde der Beginn einer wundervollen Liebesgeschichte.

(c) 2022, Marco Wittler

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