1349. Willkommen im Geisterhotel

Willkommen im Geisterhotel

in einer dunklen, stürmischen Nacht raste wie aus heiterem Himmel ein heller Blitz zur Erde nieder. Nur wenige Augenblicke später gab es einen lauten Knall. Völlig unerwartet war ein kräftiges Gewitter aufgezogen, das große Massen Regen aus seinem Wolken prasseln ließ. Bei diesem Wetter wagte man weder sich selbst, noch jagte man einen armen Hund vor die Tür. Weit und breit war niemand zu sehen. Selbst die Tiere der Umgebung hatten sich in Sicherheit gebracht.
Zwei Lichter flammten mitten im Wald auf. Über eine einsame Straße, auf der das Regenwasser einen rutschigen Film gebildet hatte, fuhr ein Auto durch den einsamen Wald. Es kam nur noch sehr langsam vorwärts, denn das Unwetter hatte die Sicht stark eingeschränkt.
Es blitzte wieder. Doch dieses Mal folgte der Donner. beinahe sofort. Das Gewitter befand sich nun fast über dem kleinen Fahrzeug. Der dritte Blitz schlug in einem Baum ein, ließ ihn zerbersten und auf die Straße fallen. Nun war der Weg versperrt. Der Fahrer des Wagens konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen und knallte gegen das Hindernis. Der Motor erstarb und wurde still. Statt sich wieder starten zu lassen, stieg dichter Dampf auf.
»Wir sitzen fest.«, sagte der Fahrer zu seiner Begleiterin. »Wir sollten uns ein warmes Plätzchen für die Nacht suchen. Außerdem kann ich von hier aus keine Hilfe rufen. Mein Handy hat keinen Empfang.«
Sie blickte unsicher nach draußen und wollte aufbegehren. Es widerstrebte ihr, während eines Unwetters durch den starken Regen zu laufen, doch genau in diesem Moment riss die Wolkendecke auf. Das Gewitter zog weiter.
Das Paar stieg aus. Eine Weile marschierten sie schweigend nebeneinander her, bis sie in der Ferne, zwischen den Bäumen ein Licht sah. »Da vorne ist etwas. Vielleicht ein Bauernhof oder ein Jägerhaus. Lass uns hingehen. Mir ist kalt und meine Füße sind von vielen Pfützen pitschnass.«
Sie wandten sich von der Straße ab, gingen quer durch den Wald. Lediglich das Licht, dem sie sich langsam näherten, wies ihnen den Weg. Ein paar Minuten später standen sie vor einem großen Gebäude. In großen Buchtstaben stand CURTIS HALL über der Tür geschrieben. Sie hatten ein Hotel gefunden. Besser hätte es nicht laufen können.
»Lass uns ein Zimmer buchen.«, bat sie. Ich bin hundemüde, brauche ein warmes Bad und eine Mütze voll Schlaf.«
Sie stiegen eine Treppe empor und betraten die Eingangshalle, die komplett aus feinstem Marmor bestand. Irgendetwas stimmte hier aber nicht. Das wurde den Beiden sofort klar. An den Wänden hingen dicke Spinnweben. Überall lagen dicke Staubschichten. War dieses Hotel etwa schon seit Jahren geschlossen?
»Herzlich Willkommen in Curtis Hall. Darf ich ihnen ein Zimmer anbieten? Sie sehen so aus, als könnten sie eine warme Badewanne und ein weiches Bett gebrauchen.«
Das Paar blickte den Portier erschrocken an, denn sie konnten durch ihn hindurch sehen. Sie hatten einen Geist vor sich. Der Geist schien zu spüren, dass seine Gäste Angst bekamen und lächelte freundlich. »Sie müssen keine Angst haben. Unser Personal gehört zwar schon lange nicht mehr zu den Lebenden, aber wir sind alle sehr freundlich und können keiner Fliege etwas zu Leide tun.«
Ein Insekt schwebte heran und setzte sich auf die Wange des Geistes. Ohne mit der Wimper zu zucken schlug er zu und wischte das zerquetschte Tier fort. »Wie ich schon agte, wir tun keiner Fliege etwas zu Leide. Das hier war eine Mücke.« Er grinste, griff hinter sich und legte einen Schlüssel auf die Theke. »Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt.«
Der Mann trat langsam einen Schritt vor, nahm den Schlüssel und nickte wortlos. Er wandte sich mit seiner Begleiterin um, schwebte mit ihr auf das Fenster zu und nahm die Gardinen ab. Er zwinkerte dem Geist noch einmal zu, bevor er seine Frau und sich unter dem Stoff versteckte. In dieser Verkleidung schwebten sie weiter und durchdrangen die nächste Wand.
»Potzblitz!«, entfuhr es dem Geisterportier. »So etwas habe ich in meinem Nachleben auch noch nie erlebt.«

(c) 2022, Marco Wittler

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