1390. Wenn ich erstmal groß bin

Wenn ich erstmal groß bin

»Wenn ich erstmal groß bin, dann bleibe ich so lange auf, wie ich das will. Dann höre ich nicht mehr auf das, was du sagst.« Benni war richtig sauer. Es war mittlerweile schon eine halbe Stunde nach seiner üblichen Zeit, in der er ins Bett ging. Doch heute saß er mit vor Wut gerötetem Kopf auf seinem Bett.
»Die anderen Jungs im Kindergarten dürfen die ganze Nacht wach bleiben. Das erzählen sie mir jeden Tag. Die Eltern haben auch nichts dagegen.«
Mama legte die Stirn in Falten. »Und das soll ich dir glauben?«
Benni nickte kräftig mit dem Kopf und grinste breit. Er zog die Decke hoch, die er nicht längs sondern seitwärts über sich gelegt hatte. Schon waren seine nackten Füße zu sehen. »Siehst du? Ich bin schon viel größer als heute Nachtmittag. Darf ich jetzt wach bleiben?«
Mama seufzte und warf einen Blick auf die Uhr. Benni befürchtete bereits, dass sie nein sagen würde und er jetzt schlafen müsse. Doch dann nickte sie. »Weißt du was? Es ist Wochenende. Morgen haben wir alle frei. Was hältst du davon, wenn ausnahmsweise gemeinsam die Nacht durchmachen? Wir machen es uns auf dem Sofa gemütlich, kuscheln uns unter eine Decke, essen Chips bis zum Umfallen und schauen fern.«
Benni riss begeistert die Augen auf. »Das ist mega. Das ist viel besser, als ich gehofft hatte.«
Er sprang auf, schnappte sich seine Decke und brachte sie ins Wohnzimmer. Während Mama Chips und Getränke aus der Küche holte, schaltete Benni den Fernseher ein, suchte seinen Lieblingsfilm aus und machte es sich gemütlich. Keine zwei Minuten später setzte sich Mama zu ihm. »Kann losgehen. Ich bin bereit.«
Der Vorspann des Films begann. Eine kleine Schreibtischlampe sprang vergnügt über den Bildschirm und zerstörte einen unschuldigen Buchstaben. Doch das hatte Benni schon nicht mehr mitbekommen. Sein Kopf war auf Mama Schoß gefallen. Nun schnarchte Benni leise vor sich hin.

(c) 2022, Marco Wittler

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