1407. Der schiefe Turm von Bremerhaven

Der schiefe Turm von Bremerhaven

Es war ein unglaublich heißer und trockener Sommer. Seit Wochen hatte es nun schon nicht mehr geregnet. Während viele Bäche bereits ausgetrocknet waren, sanken die Pegelstände in Talsperren und Flüssen bedrohlich. Kaum ein Schiff konnte noch über die großen Ströme ins Landesinnere vordringen.
Während an manch einem Ufer alte, kostbare oder kuriose Dinge in den Flussbetten gefunden wurden, kam es anderenorts zu einer Katastrophe. In der Weser, kurz vor der Nordsee geschah es in einer tropisch warmen Nacht. Wer zu dieser späten Stunde unterwegs gewesen war, konnte ein Grummeln, ein Rumpeln und Krachen hören. Die alte, bekannte Hafenmole in Bremerhaven, fiel ins sich zusammen und kippte zur Seite, was erst am frühen Morgen bemerkt wurde. Hätte es sich nur um dieses Mauerwerk gehandelt, das Problem wäre zwar groß gewesen, aber verkraftbar. Doch an diesem Platz stand auch ein Wahrzeichen der Stadt: ein alter Leuchtturm, der nun Schräglage hatte und umzustürzen drohte.
Schon am Morgen war der Bürgermeister vor Ort, um sich ein Bild von der Katastrophe zu machen. »Wir müssen den Leuchtturm irgendwie stabilisieren, wir müssen ihn retten.«, sagte er immer wieder. »Wenn wir nichts unternehmen, wird er in die Weser stürzen und unwiederbringlich zerstört werden. Was machen wir denn jetzt? Wie konnte das alles nur geschehen?«
Der Bürgermeister sah sich hilflos um. Er war von einer Gruppe Architekten, Gutachtern und Technikern begleitet worden. Doch niemand hatte eine Antwort. Er schüttelte verzweifelt den Kopf. »Jetzt kann uns nur noch ein Wunder helfen oder ein Superheld, einen mit richtig dicken Muckis. Doch die gibt es leider nur im Comic, in Filmen und in Gute Nacht Geschichten.
Während die Begehung der Mole durch den Bürgermeister im Fernsehen übertragen wurde, saß unweit eines kleinen, unscheinbaren Teichs im Schatten eines alten Seerosenblatts jemand, der sofort wusste, wer nun helfen konnte. »Ihr braucht tatsächlich einen Superhelden, der ordentlich Muckis hat.«, murmelte er. »Der Mucki-Frosch wird sich schon bald auf den Weg machen und die Rettungsaktion einleiten.«
Der Frosch hüpfte aus seinem Versteck, legte sich eine Augenmaske um und bestieg ein kleines Fluggerät, hinter dessen Steuer bereits ein hochgewachsener Frosch saß. »Geht es los, Boss?« Der Frosch nickte grimmig. »Es geht los.«, antwortete der Frosch, doch da befanden sie sich bereits in der Luft und steuerten die Wesermündung an.

Es dauerte nur wenige Stunden, bis ein kleines, unscheinbares Fluggerät über Bremerhaven auftauchte. Lediglich das reflektierte Sonnenlicht machte Passanten darauf aufmerksam. In der Außenhülle öffnete sich eine Tür, ein Frosch sprang heraus und landete platschend im flachen Wasser der Weser.
»Wer einen Superhelden mit echten Muckis braucht, der bekommt einen.«, rief er laut. »Jetzt bin ich da. Hier ist der Mucki-Frosch.« Mit wenigen Schwimmzügen befand er sich an der zerstörten Mole. Als er einen Blick in das alte Gemäuer warf, seufzte er. Mit allem hatte er gerechnet, aber nicht damit.
»So, Leute, sofort raus da. Ich bin kein Freund von Gewalt, aber wenn ihr nicht sofort verschwindet, dann werde ich grob.«
Sekunden später sprang eine Gruppe aus Bibern und Nutrias aus der Mole und suchte ängstlich das Weite. In den letzten Wochen schienen sie hier gehaust und das Gemäuer unterhöhlt zu haben. Sie hatten den Einsturz verschuldet.
»Und jetzt wird aufgeräumt.«
Der Mucki-Frosch riss den Leuchtturm aus seiner Verankerung. Mit einem großen Sprung brachte er ihn ans Ufer und stellte ihn dort ab.
»Jetzt kann das Gemäuer repariert werden.«, sagte der Mucki-Frosch dem Bürgermeister. Dem Leuchtturm wird nichts mehr passieren können. Wenn die Reparaturarbeiten abgeschlossen sind, ruft mich erneut. Dann werde ich euer Wahrzeichen an seinen angestammten Platz zurückstellen.«

(c) 2022, Marco Wittler

 

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