1415. Gummipöller oder „Papa, warum sind Pöller aus Metall (Papa erklärt die Welt)

Gummipöller oder „Papa, warum sind Pöller aus Metall

Papa und Sofie waren in der Stadt unterwegs. Schon vor einer Weile hatten sie ihr Auto auf einem Parkplatz abgestellt und gingen zu Fuß von Geschäft zu Geschäft. Dabei tippte Sofie mit dem Zeigefinger auf jeden Pöller, an dem sie vorbei kamen und zählte sie.
Irgendwann blieb sie stehen und sah verwirrt aus. Einer der Pöller bestand nicht aus Metall, sondern aus einer Art Gummi und lag schlaff am Boden.
»Papa, warum sind Pöller eigentlich aus Metall? Man kann sich daran stoßen und verletzen. Wären die aus Gummi nicht viel besser?«
Sofies Neugierde war geweckt.
Papa kratzte sich am Kinn und dachte nach.
»Das ist eine sehr gute Frage. Dazu fällt mir eine Geschichte ein, die ich erst kürzlich gehört habe. Sie handelt zufällig von der Entstehung der Pöller. Und die werde ich dir jetzt erzählen.«
Sofie strahlte über das ganze Gesicht.
»Oh ja, eine Geschichte.«
»Und wie fängt eine Geschichte immer an?«, fragte Papa.
Sofie lachte schon voller Vorfreude und antwortete: »Ich weiß es. Sie beginnt mit den Worten ›Es war einmal‹.«
»Ja, das stimmt. Absolut richtig. Also, es war einmal …«

Es war einmal eine Stadt, in der es große Probleme mit viel zu vielen Kutschen gab. Schon lange waren diese Fahrzeuge den Bürgern, aber noch viel mehr den Händlern ein Dorn im Auge. An jeder Ecke standen Kutschen im Weg. Man konnte kaum über den Gehweg flanieren oder ein Geschäft betreten. Fußgänger mussten immer wieder auf die staubigen Straßen ausweichen, die sich an regnerischen Tag in eine Schlammhölle verwandelten. Auch die Begegnung mit fahrenden Kutschen konnten dabei lebensgefährlich sein.
»Nein, nein, nein!« Die Laune des Bürgermeisters war mittlerweile auf einem Tiefpunkt angelangt. Immer öfter standen die Bürger vor seinem Schreibtisch und klagten ihm sein Leid. Der Blick aus dem Fenster tat das Übrige. »Die Kutschen müssen weg. Wir müssen endlich eine Regelung finden, die unsere Bürger schützt und die Händler vor dem Ruin bewahrt.«
Tagelang grübelte der Bürgermeister, wie man den wild parkenden Fahrern Herr werden konnte. Auch seine Berater dachten viel nach und boten verschiedene Lösungen an.
»Auf keinen Fall dürfen wir die Kutschen aus der Stadt verbannen. Sie kommen von weit her, um hier einzukaufen. Wenn keine Kutschen zu uns kommen, bleibt auch das Geld aus. Das wäre schlimm für alle.«
Doch irgendwann kam der rettende Einfall. »Wie wäre es, wenn wir entlang der Gehwege Metallstangen aufstellen, die die Kutschen vom Parken abhalten, dafür aber Passanten und Geschäfte schützen? An verschiedenen Stellen der Stadt schaffen wir Plätze, auf denen man seine Kutschen abstellen kann, also eine Art Parkplatz.«
Der Bürgermeister zog seine Stirn kraus und kratzte sich am beharrten Kinn. »Das ist gar nicht so schlecht. Ich mag die Idee mit den Parkplätzen. Wir könnten für die Nutzung vielleicht sogar Gebühren erheben und daran verdienen. Aber die Sache mit den Metallstangen ist nicht gut. Wenn man gegen sie läuft oder fährt, kann man sich verletzen. Das müssen wir anders regeln. Sie müssen weich und beweglich sein. Ich glaube, ich kenne das den richtigen Ansprechpartner.«
Ohne mehr zu verraten verließ der Bürgermeister das Rathaus. Auf dem Gehweg baute er aus einem großen Schlauch einen Pöller, den er am Gehweg befestigte. Von dort aus verlegte er eine Luftleitung, die er den langen Weg bis hinauf zum Gebirge brachte. Dort, das wusste er, lebte ein großer, dicker Bär in einer Höhle, der fast den ganzen Tag mit Schlafen verbrachte.
»Endlich kann sich dieses Tier nützlich machen.« Er schlich in die Höhle, schnallte vorsichtig dem Bären ein Mundstück vor das Maul und gefestigte daran den Schlauch. Schon blies das große Tier bei jedem lauten Schnarcher eine große Menge Luft in die Stadt hinunter.
Voller Stolz lief der Bürgermeister geschwind zurück, um sich den weichen, beweglichen Pöller anzuschauen. Doch vor Ort staunte er nicht schlecht. Seine geniale war nicht so genial, wie er gedacht hatte. Bei jedem Schnarcher richtete sich der Pöller auf, wenn der Bär durch die Nase einatmete, knickte er wieder ein. Die Lautstärke, die die Erfindung machte, war ebenfalls sehr störend.
»Ich glaube, wir müssen doch Metallstangen aufstellen.«

»Das ist ja eine verrückte Geschichte. Die soll wirklich wahr sein?«
Papa nickte und grinste, während sich Sofie auf den Boden hockte und ihr Ohr an den schlaffen Gummipöller hielt.
Plötzlich ertönte ein lauter Schnarcher. Sofie sprang erschrocken auf, nahm Papas Hand und zog ihn weg. »Ich habe den Bären gehört. Das ist unglaublich.« Sie überlegte kurz. »Trotzdem glaube ich dir kein einziges Wort von deiner Geschichte. Die hast du dir nur ausgedacht.«

(c) 2022, Marco Wittler

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*