1459. Nik braucht einen Bart

Nik braucht einen Bart

Papa stand im Bad und massierte sich gerade ein glänzendes Gel in seinen top gepflegten Bart. Dann formte er ihn so lange, bis er ihm gefiel.
»Bevor ich dich kennengelernt habe, hätte ich nie gedacht, dass es Männer gibt, die mehr Zeit im Bad verbringen als so manche Frau.« Mama lachte, als sie an der Tür vorbei ging und einen Blick ins Bad warf.
Auch Papa musste lachen. Diesen Spruch kassierte er an jedem Morgen. Ihm war es einfach wichtig, dass sein Bart gut aussah.
Kurz darauf kam Sohn Nik ins Bad. »Kannst du dich bitte etwas beeilen?« Nik griff zur Zahnbürste und drückte sich bereits etwas Creme darauf. »Du blockierst hier alles. Mein Bus kommt aber gleich. Ich will nicht zu spät in die Schule kommen.«
Papa seufzte. Manchmal wünschte er sich ein eigenes Badezimmer. Es war nicht immer einfach, sich eines mit der ganzen Familie zu teilen. Er machte einen Schritt zur Seite, überließ Nik das Waschbecken und zwirbelte weiter an seinen Barthaaren.
Nach ein paar Minuten war Nik fertig und ging zurück in die Küche. Kurz darauf hörte Papa, wie die Kaffeemaschine eingeschaltet wurde. Irgendwer schäumte Milch auf. Er sah auf die Uhr und wunderte sich. Selbst für Mama war es zu spät, noch einen Cappuccino zu trinken. Er wurde neugierig und sah nach dem Rechten. Er entdeckte Nik, der gerade vor der blank polierten Kühlschranktür stand und eine Tasse in der Hand hielt.
»Was machst du denn hier? Ich dachte, du musst den Bus erwischen.«
Nik drehte sich grinsend um, während Papa erschrocken die Augen aufriss.
»Ich wollte dir nur zeigen, wie schnell man mit einem Bart fertig werden kann, wenn man sich nicht zu viel Zeit lässt.« Nik wischte mit dem Finger durch die Tasse, entnahm ihr etwas vom Milchschaum und schmierte ihn sich ins Gesicht. »Ich habe erst versucht, Milch zu trinken, aber der Milchbart war mir nicht dicht genug. Mit Milchschaum funktioniert es aber richtig gut.« Er deutete ein Zwirbeln am Schaumschnauzbart an.
Papa nahm ein Trockentuch und warf es Nik lachend zu. »Ich habe es verstanden. Ab Morgen lasse ich mir nicht mehr so viel Zeit. Aber jetzt mach dich sauber und geh zum Bus.«

(c) 2023, Marco Wittler

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