Frau Dino macht die Betten
oder »Papa, warum hatten Dinos Schuppen?«
Sofie saß im Garten am Teich und blickte schon seit einer ganzen Weile auf eine kleine Eidechse, die völlig regungslos auf einem Stein in der Sonne saß. Ihre Schuppen glänzten wie kleine Steine.
»Ich würde so gern in meinem schlauen Tierlexikon nachschauen, wie die Eidechse heißt, aber dann müsste ich aufstehen. Vielleicht läuft sie dann weg und versteckt sich.
Sofie seufzte leise und sah Papa an. »Weißt du was? Ich bleibe jetzt so lange hier sitzen, bis die Eidechse mit ihrem Sonnenbad fertig ist. Bis dahin kannst du mir vielleicht eine Frage beantworten. Warum haben Eidechsen so schön glänzende Schuppen?«
Papa wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, erkannte aber sofort, dass seiner Tochter eine ganz andere Frage auf dem Herzen brannte. Er wartete also ab.
»Nein, noch besser.« Sofie grinste über das ganze Gesicht. »Irgendwer muss doch mal die ersten Schuppen bekommen haben. Also, warum hatten die Dinosaurier Schuppen? Und jetzt erzähl mir nicht, dass sie darin ihre Fahrräder untergestellt haben. Ich meine die Schuppen auf ihren Körpern.«
Papa legte die Stirn in Falten und strich sich ein paar Mal über seinen Bart, bevor er antwortete.
»Das ist eine sehr gute Frage. Mir fällt da gerade eine Geschichte ein. Die habe ich vor kurzem erst gehört. Sie handelt von den Schuppen der Dinosaurier. Was für ein großer Zufall. Und die werde ich dir jetzt erzählen.«
Sofie strahlte über das ganze Gesicht.
»Oh ja, eine Geschichte.«
»Und wie fängt eine Geschichte immer an?«, fragte Papa.
Sofie lachte schon voller Vorfreude und antwortete: »Ich weiß es. Sie beginnt mit den Worten ‚Es war einmal’.«
»Ja, das stimmt. Absolut richtig. Also, es war einmal …«
Es war einmal eine Dinosauriermutter, die hatte zwei Töchter. Die eine war hübsch, prächtig anzusehen und hatte makellose, glatte Haut. Die andere gab nicht wirklich viel auf sich acht. Sie trug ihr Haar meist zerzaust und ihre Haut war schmuddelig.
Wäre die Dinosauriermutter eine gute Mama gewesen, so hätte sie ihre Töchter gleich viel geliebt, doch sie zog die Schmuddeltochter der anderen vor.
Eines Tages, die Schmuddeltochter hatte am Brunnen im Garten gespielt, da war ihr die Haarbürste in die Tiefe gestürzt. Natürlich war das nur aus Versehen passiert, wie sie behauptete, nicht weil sie das garstige Ding loswerden wollte.
»Das ist ein großes Malheur.«, sagte die Mutter. Jemand muss die Bürste wieder herauf holen. Wie sollen wir uns sonst frisieren?«
Ohne mit der Wimper zu zucken, stieß sie die schöne Dinosauriertochter in den Brunnen. »Und komm nicht eher wieder herauf, bis du die Bürste gefunden hast.«
Die Tochter schrie, platschte ins Wasser und fand sich wenige Augenblicke später in einer fremden Welt wieder. Sie sah an sich herab. Seltsamerweise war nicht nass geworden.
Sie sah sich um, konnte die Bürste allerdings nirgendwo entdecken. Also entschied sie sich für eine Richtung und marschierte los, das dumme Ding zu finden, als sie plötzlich Stimmen hörte. Sie kamen vom Fuße eines Vulkans.
»Hol und hier raus. Wir werden sonst verbrennen.«
In einem kleinen Erdloch lagen gebackene Teigklumpen. Die Höhlenmenschen nannten sie wohl Brote. Davon hatte sie schon gehört. Dass diese auch sprechen konnten, war ihr allerdings neu. »Hol uns heraus. Wir verbrennen.«
Die schöne Tochter nahm ein großes Blatt von einem Baum und zog damit die Brote ins Freie. Sie waren genau richtig gebacken und sahen lecker aus. Die Höhlenmenschen würden sich freuen, dass ihr Abendessen nicht angebrannt war. Da aber am Fuße des Vulkans keine Bürste zu sehen war, ging die Tochter weiter.
Nach ein paar Minuten, sie hatte inzwischen einen dichten Dschungel erreicht, hörte sie erneut Stimmen. »Hol uns herab. Wir sind schon reif und werden bald verderben.«
Die Tochter blieb vor einem Baum stehen, der leuchtend bunte Früchte trug. Dafür hatte sie natürlich nichts über. Auf ihrem Speiseplan standen ganz andere Dinge. Sie wusste aber, dass es kleine Säugetiere gab, die den schweren Aufstieg in die Baumkronen nicht schaffen würden. Also pflückte sie kurzerhand die Früchte und legte sie sorgsam auf den Boden.
»Habt ihr hier vielleicht eine Bürste gesehen?«, fragte die schöne Tochter. Doch das hatten die Früchte leider nicht. Sie musste weitersuchen.
Wenig später erreichte sie einen Hof in dessen Mitte ein Haus stand. Eines der Fenster stand offen und eine alte Dinofrau, mit langen, gefährlichen Zähnen und düsterem Blick sah beim Aufschütteln der Betten heraus.
»Komm näher, schönes Kind. Du kommst mir gerade wie gerufen.«, sprach sie mit krächzender Stimme, doch dann hielt die Alte inne, klatschte sich mit einer Pranke gegen die Stirn und lachte. »Fürchte dich nicht vor mir. Mein Aussehen ist viel schlimmer als ich es in Wirklichkeit bin.«
Sie legte das Kopfkissen zur Seite und lehnte sich heraus. »Ich bin die Frau Dino. Und wenn du mir in meinem Hause helfen magst, werde ich dich gut behandeln und dafür reich belohnen.«
Die schöne Tochter überlegte nicht lange und willigte ein. Vielleicht würde ihr sogar die Frau Dino zu einer neuen Bürste verhelfen.
In den nächsten Tagen war sie sehr beschäftigt. Sie holte Wasser aus dem Brunnen, kochte, putzte und schüttelte jeden Morgen die Betten aus, dass es aussah, als würde es zur Erde hinab schneien. Hier fühlte sich die schöne Tochter zum ersten Mal in ihrem Leben dinowohl.
Und doch rief Frau Dino sie eines Tages zu sich. »Es wird Zeit für dich, mich zu verlassen. Du musst nun gehen. Deine Familie wird bestimmt schon voller Sorge auf dich warten.«
Die schöne Tochter seufzte. Sie wollte um keinen Preis der Welt gehen, wusste aber, dass sie musste.
»Ich bin dir dankbar für deine Hilfe.«, setzte Frau Dino fort. Geh und verlasse meinen Hof durch das Tor. Du sollst für alles reich belohnt werden.«
Zögernd verließ die schöne Tochter den Hof. Als sie das Tor erreichte, regneten goldglänzende Schuppen auf sie herab, die an ihrem Körper haften blieben.
Wenig später kletterte sie wieder aus dem Brunnen. Der Dinosauriermutter und der Schmuddeltochter wären beinahe die Augen aus dem Kopf gefallen. Doch das wollten sie sich nicht anmerken lassen.
»Wo ist die Bürste, die du uns nach oben holen solltest?«
»Die habe ich leider nicht finden können.«
Die Dinosauriermutter grummelte. »Alles muss man selber machen.« Sie wies die Schmuddeltochter an, sich alles über die Geschehnisse im Brunnen berichten zu lassen und stieß sie dann ebenfalls in die Tiefe. »Und komm nicht ohne die Bürste heim, mein Liebes. Hast du mich verstanden? Mutter meint es nur gut mit dir.«
Kaum war die Schmuddeltochter in der anderen Welt angekommen, traf sie auf die Brote im Vulkan, die um Hilfe baten. »Hol und hier raus. Wir werden sonst verbrennen.«
»Was sollte ich mir an euch die Krallen schmutzig machen?«, antwortete sie angewidert. »Wer käme denn auf so eine verrückte Idee?« Sie setzte ihren Weg fort, denn ihr Ziel war ein anderes.
Im Dschungel riefen auch die bunten Früchte nach ihr. »Hol uns herab. Wir sind schon reif und werden bald verderben.«
»Bleibt ihr mal schön hängen, wo ihr seid.« Die Schmuddeltochter machte einen großen Bogen um den Baum. »Wenn ich zu euch klettere, könnte mir eine Kralle abbrechen. Außerdem möchte ich keinen Säugetieren helfen. Die finde ich eklig. Jedes Mal wenn man auf eines Tritt, bleibt es am Fuß kleben und man muss sich waschen. Das will doch niemand.«
Wenig später erreichte sie den Hof der Frau Dino, von der sie aufmerksam unter die Lupe genommen wurde.
»Ich bin hier, um dir zu helfen, wie es schon meine Schwester tat. Wo soll ich anpacken? Ich bin eine besonders fleißige Dinotochter. Du wirst an mir deine helle Freude haben.«
Am ersten Tag war sie unerwartet fleißig, doch schon am zweiten wurde sie faul. Sie schlief zu lange, schüttelte die Betten nicht auf und das Wasser holte sie auch nicht aus dem Brunnen. An Kochen und Putzen war gar nicht erst zu denken. Schnell sah das Haus so schmuddelig aus, wie die Dinotochter.
»Du lebst doch schon so lange hier, altes Mütterchen.«, versuchte sie der Frau Dino zu erklären.« Das schaffst du bestimmt ganz allein. Du brauchst meine Hilfe doch gar nicht. Möchtest du mich nicht einfach für meine gestrige Hilfe entlohnen? Dann kann ich nämlich wieder Zuhause sein, bevor meine Dinosauriermutter sauer wird.«
Da wurde es der Frau Dino zu viel. Sie schnaubte. »Dann ist es wirklich besser, wenn du jetzt gehst und meinen Hof verlässt. Ich werde dich für alles gerecht entlohnen. Geh durch …«
»Ja, ja. Ich weiß Bescheid.« Die Schmuddeltochter lachte erfreut und konnte es kaum erwarten, in Gold zu duschen. »Ich verlasse den Hof durch das Tor, wie es meine Schwester schon getan hat.«
Und so geschah es. Sie verließ das Haus, trat durch das Tor und sah erwartungsvoll nach oben. Doch statt goldener Schuppen regnete es Teerschlamm, der aus dem nahen Vulkan zu stammen schien und verklebte ihr den ganzen Körper. So musste sie nach Hause laufen und versetzte ihrer Dinosauriermutter einen großen Schrecken. War sie schon seit je her schmuddelig gewesen, übertraf sie das nun bei Weitem. Egal, wie sehr Mutter und Tochter am Teer schrubbten, er wollte sich für den Rest ihres Lebens nicht mehr lösen.
Sofie strahlte über das ganze Gesicht. »Das war aber eine schöne Geschichte, Papa. Jetzt weiß ich endlich, warum Eidechsen und Dinosaurier Schuppen haben.« Sie begann zu lachen. »Ich glaube dir aber trotzdem kein einziges Wort davon. Ich bin mir nämlich sicher, dass mir Opa ein ganz ähnliches Märchen am Wochenende aus einem seiner Bücher vorgelesen hat.«
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