1484. Let’s Dance

Let`s Dance

Die Dunkelheit der Nacht hatte sich über die Stadt gelegt. Nur wenige Laternen spendeten noch ein wenig Licht. Während viele Menschen bereits in ihren Betten lagen und schliefen, hörte man ein dumpfes Wummern in den Straßen. Wie an jedem Wochenende hatte der Tanzclub seine Pforten geöffnet und damit gut einhundert Menschen herein gelockt. Sie waren allerdings nicht die Einzigen, die Lust darauf hatten, sich bei lauter Musik und dröhnenden Bässen zu vergnügen. Im Schatten einer großen Eiche stand jemand, der zu schüchtern war, den Club zu betreten.
Paule, das Monster mit den bunten Haaren und den langen Hörnern auf dem Kopf, blickte zum Eingang. Der Türsteher, der an den Abenden für Ordnung sorgte, hatte so einen düsteren Blick, dass er sich nicht einmal in die Nähe des Clubs wagte. »Dabei würde ich so gerne auch einmal auf der Tanzfläche rumflippen und mich austoben.« So blieb Paule nichts Anderes übrig, als der Musik von seinem Versteck aus zuzuhören.
Irgendwann hielt er es kaum noch aus. Er strich sich die bunten Haare aus dem Gesicht. Zuerst wippte nur ein einzelner Zeh ganz langsam zum Rhythmus der Musik, dann der Fuß und schließlich beide Beine. Paule wedelte mit den Armen und drehte sich im Kreis. Sein Tanz wurde immer wilder. Als schließlich ein besonders flottes Lied im Club aufgelegt wurde, konnte man ihm kaum noch zuschauen, so verrückt wurde sein Tanzstil.
Das Lied endete. Paule blieb stehen. Er war völlig außer Atem. Er erschrak. Hoffentlich hatte ihn niemand beim Tanzen entdeckt. Er sah sich um. Wo war der Türsteher geblieben? Am Eingang des Clubs stand nun – ein zweiter Paule. Das konnte doch gar nicht möglich sein.
Der echte Paule sah an sich herab. Seine bunten Haare waren verschwunden. Er stand nackt unter der großen Eiche. Er war so wild herumgewirbelt, dass alle seine Haare davon geflogen und auf dem Türsteher gelandet waren.
»Upsi! Das ist mir jetzt aber sehr peinlich.« Paule entriss der Eiche einen Ast ab, um sich hinter dem Laub notdürftig zu verstecken. Dann lief er zum Clubeingang, sammelte seine bunten Haare vom grummelden Türsteher ab und verschwand mit ihnen wieder in der Dunkelheit.

(c) 2023, Marco Wittler

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