1545. Schon wieder Winter, schon wieder Weihnachten

Schon wieder Winter, schon wieder Weihnachten

Miez und Katz lagen zusammen gelangweilt auf dem hohen Kratzbaum. Ihre Blicke gingen ins Leere, denn etwas Interessantes gab es nirgendwo zu sehen.
»Boah, ist das langweilig heute.«, beschwerte sich Miez in regelmäßigen Abständen und sah zu Katz hinüber. »Ich vermisse den Sommer ganz dolle. Da konnten wir noch am Fenster sitzen, nach draußen schauen und es gab ganz viel zu beobachten. Und nun? Es ist kalt, Es regnet die ganze Zeit und alle, die uns die Zeit vertrieben haben, sind fort. Es läuft keine einzige Maus über die Straße, nirgendwo sind Insekten in der Luft zu sehen, die gegen das Fenster knallen und die meisten Vögel sind auch ganz woanders. Die haben sich bestimmt in eine wärmere Gegend abgesetzt und warten nur darauf, dass der Winter vorbeigeht. Die machen es nicht anders, als wir. Nur die sind unter der wärmenden Sonne. Und was ist mit uns? Wir sterben vor lauter Langeweile. Daran sind alle anderen Tiere Schuld.«
Katz nickte. Auf den Winter konnte man gut und gerne verzichten. Das Einzige, was vielleicht noch ganz interessant werden konnte, war das bevorstehende Weihnachtsfest, denn dann holten die Menschen einen hohen Baum ins Haus, den man zum Verstecken, klettern und darunter schlafen benutzen konnte. Manchmal hingen sogar bunte Kugeln an den Ästen, die man so herrlich herunterpflücken und durch die Gegend kicken konnte. Allerdings ging auch diese Zeit viel zu schnell vorbei und endete in eine lange, dunkle Winterzeit.
»Ich sag es dir.«, prophezeite Miez. »Wir werden noch vor Langeweile sterben. Unsere Menschen sollten sich dringend etwas einfallen lassen, sonst sitzen sie bald allein hier herum und werden um uns trauern. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie ohne uns weit kommen werden. Sie sind doch immer so hilflos.«
Ein paar Tage später war es dann so weit. Der Baum, den Miez angekündigt hatte, war aufgebaut und es schien, als würden hunderte Glühwürmchen auf seinen Ästen sitzen und um die Wette leuchten.
»Ist ja eine ganz tolle Idee. Und wie soll ich die nun durch die Gegend scheuchen? Die Menschen haben sie mit irgendwelchen Klammern befestigt. Das ist so unfair.« Frustriert sah Miez den Menschen dabei zu, wie sie kleine und große Pakete auspackten und einen riesigen Berg aus buntem Papier hinterließen.
»Mir reicht das jetzt. Katz, komm her, wir sorgen erstmal für Stimmung.« Katz ließ sich natürlich nicht lange bitten. Gemeinsam sprangen die beiden Katzen in das Geschenkpapier und fuhren die Krallen an allen acht Pfoten aus. Wie zwei wild gewordene Tasmanische Teufel wirbelten sie immer wieder im Kreis herum, kratzten, rissen, zerrten und verwandelten den Berg in einen großen Haufen kleinster Schnipsel, die schon nach wenigen Minuten einem ausgekippten Sack Konfetti ähnlich sahen.
»So gefällt mir das schon sehr viel besser.«, war Miez mit der Zerstörung des Abfalls zufrieden. »Damit kann man doch etwas anfangen.«
Mit hoch erhobenem Haupt stolzierte er vor den verdutzten Blicken der Menschen quer durch das Wohnzimmer, ging auf den Ventilator zu, der schon seit ein paar Monaten nicht mehr benutzt worden war und schaltete ihn ein.
Augenblicklich wehte ein kräftiger Windzug durch den Raum und wirbelte die kleinen Papierschnitzel durch die Luft und bis in jede noch so kleine Ecke.
Die Menschen schrien. Das Durcheinander schien ihnen gar nicht zu gefallen. »Ich kann gar nicht verstehen, was die Beiden für ein Problem haben.« Miez blickte sich zufrieden um. »Jetzt ist das Haus doch perfekt. Überall fliegt etwas herum. Wir haben ganz viel Zeug, das wir stundenlang beobachten können. So mag ich das.«
Doch dann war es schon wieder vorbei. Einer der Menschen hatte die Frechheit besessen und den Ventilator abegeschaltet.
»Los! Raus hier!« Miez und Katz wurden aus dem Wohnzimmer gescheucht.
»Diese blöden Mitbewohner. Die verstehen überhaupt keinen Spaß.« Die Katzen verzogen sich in die Küche und machten es sich vor dem Küchenfenster gemütlich. In diesem Moment begann es in dicken Flocken zu schneien.
»Wenigstens das Wetter ist heute auf unserer Seite.« Miez und Katz waren von dem wilden Tanz des Schneegestöbers völlig gefesselt. Weihnachten war doch nicht so langweilig wie gedacht.

(c) 2023, Marco Wittler

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