Abbys Blick zu den Sternen
»Schlaf gut, kleine Abby. Bis Morgen früh.«
Sabrina streichelte noch einmal über das schwarzweiße Fell ihrer kleinen Katze, die es sich in einem Pappkarton auf dem Fensterbrett gemütlich gemacht hatte und legte sich zum Schlafen ins Bett. Einen Augenblick später ging das Licht aus uns es wurde still.
Abby rollte sich in ihrem Pappkarton zusammen und wollte gerade die Augen schließen, als ein kleiner, feiner Lichtpunkt am Himmel erschien. Nach einem langen, strengen Winter, riss zum ersten Mal die dicke Wolkendecke auf und gab den Blick auf einen Stern frei. Schnell wurde das Loch größer, der Himmel klarte auf. Ein üppiges Sternenmeer kam zum Vorschein.
Abby machte große Augen. So etwas Schönes hatte sie in ihrem bisher kurzen Leben noch nie zuvor gesehen. »Eines Tages möchte ich sie mir aus der Nähe ansehen. Eines Tages möchte ich zu den Sternen reisen.«
In genau diesem Augenblick löste sich einer der leuchtenden Punkte, fiel schnell zur Erde herab und kam auf Abbys Fenster zu. Nur wenige Zentimeter vor der Glasscheibe blieb ein silbern glänzendes Raumschiff stehen. Ein Zugang öffnete sich. Zwei kleine, graue Lebewesen kamen zum Vorschein. Sie hoben Strahlwaffen und lösten damit die Fensterscheibe vom Rahmen.
»Wir haben mit unseren Sensoren festgestellt, dass du uns neugierig beobachtet hast. Wir möchten dich einladen, mit uns zu kommen.« Sie steckten ihre Strahler weg und streckten der kleine Katze die Hände entgegen.
Abby dachte nicht lange nach. Sie nickte, sprang ohne Anlauf von ihrem Karton in das Raumschiff und trat ehrfürchtig ins Innere. Die Außerirdischen zwinkerten sich zu und grinsten. So einfach war ihnen noch nie eine Entführung von der Erde gelungen.
Gemeinsam suchten sie die Brücke auf. »Von hier wird das Raumschiff gesteuert. Mit jedem Knopfdruck und jedem Drehen an den Kurbeln können wir bremsen, Gas geben oder die Richtung ändern.«
Abby entfuhr ein begeistertes Wow. »Darf ich das mal ausprobieren? Ich wollte schon immer mal ein Raumschiff fliegen.« Sie ließ sich nicht lange bitten, drückte einen Knopf und drehte an einem Rad. Das Raumschiff flog zum Sternenhimmel hinauf, wurde immer schneller und raste auf den Mond zu.
»Finger weg.« Die Außerirdischen wurden panisch. So hatten sie sich die Entführung nicht vorgestellt. »Du hast doch gar keine Ahnung, wie man fliegt.«
Das Raumschiff knallte gegen die schmale Sichel des Mondes, und wurde nur Dank des Schutzschildes nicht zerstört, sondern prallte von ihr ab.
Mit hoher Geschwindigkeit ging es weiter durch das All. Abby gluckste vor Freude und drückte weiter auf den vielen Knöpfen herum. »Das macht richtig viel Spaß. Meint ihr ich könnte ein eigenes Raumschiff von euch bekommen?«
Plötzlich tauchte auf einem großen Bildschirm die Venus auf. Wieder prallten sie ab. Es ging weiter zum Mars und in den Asteroidengürtel hinein in dem das Fluggerät wie eine Flipperkugel hin und her geschleudert wurde. Schließlich erreichten sie wieder die Erde und das Haus, in dem Abby lebte.
Die Außerirdischen konnten endlich die Kontrolle über ihre Steuerung wiedererlangen. Sie stoppten die Triebwerke und setzten Abby zurück in ihren Pappkarton. »Das war der beste Ausflug meines Lebens. Können wir das Morgen Nacht wiederholen?«
Panisch rissen die Außerirdischen die Augen auf. Schon der heutige Flug hatte ihnen gereicht. Sie mussten sich die Bäuche halten, übergaben sich und flüchteten schnell ins Schiff zurück. Nur Sekunden später verschwanden sie zwischen den Sternen.
»Schade. Dann muss ich mir wohl ein eigenes Raumschiff aus meinem Pappkarton bauen. Mal schauen, ob ich im Schrank ein paar alte Hosenknöpfe finden kann.«
In den nächsten Stunden schlich Abby immer wieder durch die Wohnung und bastelte an ihrem Traum, eines Nachts zu den Sternen zu reisen.
(c) 2025, Marco Wittler
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