217. Der Zahn der Zeit und das liebe Geld

Der Zahn der Zeit und das liebe Geld

Papa saß am Esstisch und hatte sein Gesicht in seinen Händen vergraben. Vor ihm lagen ein paar geöffnete Briefe.
»Mensch, Papa, was ist denn mit dir los?«, fragte Christian, der durch die Tür hinein sah.
Papa sah auf und schüttelte mit dem Kopf.
»Das willst du gar nicht wissen.«
Doch dann begann er doch zu erzählen.
»Das sind alles Mahnungen und Rechnungen.«, sagte er und zeigte auf die Briefe.
»Wenn wir nicht bald alles bezahlen, bekommen wir ganz viel Ärger.«
Er holte seine Geldbörse aus der Hosentasche und öffnete sie. Aber bis auf einen alten Knopf, war nichts darin zu finden.
»Ich weiß nicht, was wir jetzt machen sollen. Wenn Opa bloß nicht damals sein versteckt und das Versteck vergessen hätte.«
Christian spitzte die Ohren.
»Opa hat viel Geld versteckt, bevor er gestorben ist?«
Papa nickte.
»Das Problem daran ist nur, dass er uns nie verraten hat, wo es ist. Er hat immer nur seltsame Dinge vor sich hin gemurmelt, bevor er gestorben ist. Er war wohl nicht mehr ganz bei Sinnen, als er auf dem Sterbebett lag.«
Christian setzte sich an den Tisch und stützte sein Kinn auf seine Hände.
»Was hat er denn damals erzählt?«
Papa überlegte.
»Das war ganz wirres Zeug. Ich weiß schon gar nicht mehr, was es war.«
Papa überlegte noch einmal.
»Er hat mich damals ganz nah an sich heran gezogen und mir alles ins Ohr geflüstert. Er meinte, an seinem Geld nage der Zahn der Zeit. Mit diesem Hinweis würde ich alles finden. Aber ich weiß bis heute nicht, was es bedeuten sollte.«
Christian konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Sein Opa musste ein unglaublich großer Rätselkönig gewesen sein, wenn er seiner Familie solche Aufgaben stellte.
In diesem Moment räumte Papa alle Briefe zur Seite.
»Damit kann ich mich auch noch Morgen beschäftigen. Jetzt muss ich mich erst einmal ablenken.«
Da hatte Christian schon eine gute Idee. Er flitzte durch das Haus, kletterte auf den Dachboden und kam mit einer großen Kiste zurück ins Wohnzimmer.
»Was schleppst du denn da an?«, fragte Papa.
In der Kiste waren alle Dinge verstaut, die Opa einmal gehört hatten und die niemand in den Müll werfen wollte.
»Ich will mehr von Opa erfahren. Und da dachte ich mir, dass du mir mit dem ganzen Kram einmal zeigst, wer er überhaupt gewesen ist.«, erklärte Christian.
Gemeinsam wühlten sie sich nun durch die vielen Erinnerungsstücke. Da waren unzählige Fotos, ein abgegriffenes Tagebuch, Postkarten und sogar ein paar alte Auszeichnungen und Orden, die Opa im Krieg bekommen hatte.
»Schau mal Papa, da ist doch Geld.«
Christian holte ein dickes Bündel Geldscheine hervor. Auf ihnen waren hohe Zahlen gedruckt.
»Das müssen ja mindestens hunderttausend Euro sein.«
Papa seufzte.
»Das ist leider altes Geld. Das ist nichts mehr wert. Damit werden wir die Rechnungen auch nicht bezahlen können.«
Schließlich holte Christian ein riesiges Gebiss aus der Kiste.
»Was ist denn das?«, staunte er.
»Da waren wir uns früher schon nicht sicher.«, erzählte Papa.
»Opa hatte dieses hässliche Ding immer in der Glasvitrine stehen. Er benutzte es als Bonbonschale.«
Christian dachte kurz nach. Dann drehte er das Gebiss um und besah es sich von beiden Seiten.
»Weißt du was? Wenn du es wirklich so hässlich findest, müssen wir es auch nicht behalten.«
Und schon ließ er das Gebiss auf den Boden fallen. Mit einem lauten Knall brach es auseinander.
»Du meine Güte.«, staunte Papa. »Was ist denn das?«
Er stand auf und kniete sich vor dem Scherbenhaufen auf den Fußboden. Zwischen den Scherben waren mehrere Papierrollen zu sehen. Papa nahm eine davon und entrollte sie.
»Das sind Geldscheine.«
Christian lachte und hielt sich den Bauch.
»Da hat wohl wirklich der Zahn der Zeit an Opas Geld genagt.«
Nun musste Papa auch lachen.
»Und wenn ich mir das so anschaue, ist genug Geld da, um unsere Rechnungen zu bezahlen. Es wird sogar noch sehr viel übrig bleiben.«
Papa freute sich so sehr über den Fund seines Sohnes, dass er ihm sofort versprach, am nächsten Tag ein neues Fahrrad zu kaufen.

(c) 2009, Marco Wittler

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