Die Fliegenklatsche
Ein lautes Summen ertönte über der großen Wiese. Bernie Brummer, die dicke Fliege, brauste zwischen den Blumen durch.
»Ach, was ist das Leben schön. Es gibt doch nichts Schöneres, dass mit den Flügeln zu schlagen und durch die Luft zu sausen.«
Es ging hin und her, rauf und runter, an einer grünen und einer blauen Blume vorbei. Zwischendurch ließ er sich fallen und hüpfte von einem Blatt zum anderen.
»Huiuiui, jupiduu.«
Doch mit einem Mal machte er Halt und blieb in der Luft stehen.
»Was ist denn da los?«
Auf dem Boden, zwischen den Grashalmen war ein Weinen zu hören.
»Das muss ich mir unbedingt anschauen.«
Bernie sauste hin und landete neben einer kleinen Fliegengruppe. Sie alle saßen zusammen und weinten wie die Schlosshunde.
»Warum vergießt ihr denn so viele Tränen? Ist etwas passiert?«
Zuerst konnte der dicke Brummer nichts verstehen. Alle redeten durcheinander und weinten noch dazu. Es dauerte ein paar Minuten bis er eine richtige Antwort bekam.
»Mein Mann ist tot. Ein großer Mensch hat ihn mit der Fliegenklatsche erledigt. Dabei war er doch noch so jung.«
»Eine Fliegenklatsche?«, fragte Bernie ungläubig.
»So ein fieses Ding. Dagegen haben wir kleinen Insekten doch gar keine Chance.«
Die trauernde Witwe begann wieder zu weinen.
»Dieser Mensch kommt jeden Tag auf die Wiese gelaufen und verscheucht uns von den Blumen. Wir wissen gar nicht mehr, wo wir hin sollen. Wer erwischt wird, verschwindet für immer.«
Bernie überlegte hin und her. Schon sah er sich, wie er sich eine neue Heimat suchte.
»Wir können uns doch nicht einfach vertreiben lassen. Wir müssen etwas dagegen unternehmen.«
Schon schlug er wieder kräftig mit seinen Flügeln und hob vom Boden ab. Als er die Wiese unter sich gelassen hatte, sah er sich um. In weiter Ferne entdeckte er ein Haus.
»Da muss er leben. Das schaue ich mich aus der Nähe an.«
Der dicke Brummer sauste los.
Ein paar Stunden später war er an seinem Ziel angekommen. Er setzte sich vor ein Fenster und sah ins Haus. Da wurde er auch schon entdeckt.
»Verdammte Fliegen. Euch werde ich lehren, mich hier zu stören.«
Eine große Menschenhand schlug mit einer großen Fliegenklatsche gegen das Fenster. Zum Glück war noch eine Glasscheibe im Weg, sonst wäre es um Bernie geschehen gewesen.
»Ich werde euch alle verjagen oder zerdrücken.«, hörte er den Menschen rufen.
»Du meine Güte. Der ist ja wütend. Das muss doch einen Grund haben.«
Der Brummer sauste wieder los und umrundete ein paar Mal das Haus. Immer wieder warf er kurze Blicke durch die Fenster in das Innere. Es dauerte allerdings eine ganze Weile, bis er fand, wonach er suchte.
»Schau mal einer an. Da stehen ganz viele Honiggläser auf dem Regal. Und wo Honig ist, da müssen auch Bienen sein.«
Mit dieser Vermutung lag er genau richtig. Ein paar Meter weiter standen mehrere Bienenstöcke. Um sie herum herrschte reges Treiben. Alle paar Sekunden flogen Bienen heran, die mit Pollen bepackt waren. Sie wurden abgelöst von anderen Bienen, die sich nun auf den Weg zu den vielen Blumen machten.
»Deswegen will uns der Mensch vertreiben. Er denkt wohl, dass wir Fliegen seinen Bienen den Blütenpollen stehlen. Er will den leckeren Honig wohl für sich behalten.«
Bernie überlegte bereits an einer Lösung, während er wieder nach Hause flog.
»Ich weiß es.«, rief der Brummer.
»Mir ist eingefallen, wie wir uns vor dem fiesen Menschen schützen können.«
Die anderen Insekten wollten ihren Ohren nicht glauben. Wie sollte eine kleine dicke Fliege den Kampf gegen einen so großen Feind gewinnen?
Kurz bevor Bernie landete, ließ er sich im Sturzflug in eine Blüte fallen. Als er wieder zum Vorschein kam, klebten an seinem ganzen Körper Pollen. Ein paar davon wischte er wieder fort.
»Bernie, du siehst auf einmal wie eine Biene aus.«
Der Brummer strahlte über das ganze Gesicht.
»Wenn wir uns alle so verkleiden, wird uns der Mensch nicht mehr erkennen. Er wird denken, dass wir zu seinen Bienen gehören und uns dann in Ruhe lassen.«
Großer Jubel war nun zwischen den Gräsern der großen Blumenwiese zu hören. Von diesem Tag an wurde die gefährliche Fliegenklatsche nie wieder gesehen.
(c) 2009, Marco Wittler
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