391. Mama, ich hab dich lieb

Mama, ich hab dich lieb

Mama steckte den Schlüssel in die Tür und betrat die Wohnung. Sie hatte nur kurz im Laden an der Ecke ein paar Zutaten für das Mittagessen geholt und war nicht einmal fünf Minuten fort gewesen. Trotzdem wurde sie von ihrer Tochter Lena begeistert empfangen.
»Hallo Mama, ich hab dich lieb.«, rief das Mädchen aus ihrem Kinderzimmer und wiederholte sich noch zwei weitere Male, bis sie an der Wohnungstür angekommen war.
»Ich hab dich auch lieb, Kleines.«
Dann ging Mama in die Küche und stellte einen großen Kochtopf auf den Herd. Nur einen Augenblick später steckte Lena ihren Kopf durch die Tür und grinste.
»Mama, ich hab dich lieb.«
Dann verschwand sie kichernd und ließ ihre verwirrte Mutter zurück.
»Was ist denn heute in dieses Mädchen gefahren? So ist sie doch sonst nicht.«
Mama kochte weiter, gab nach und nach die Zutaten in den Topf und rührte immer wieder kräftig um. Ruhe hatte sie dabei allerdings nicht, denn immer wieder kam Lena herein.
»Mama, ich hab dich lieb.«
Mama seufzte. Und das alles nur, weil sie Lenas Lieblingsgericht kochte. Handgemachte Ravioli in einer leckeren Tomatensoße. Irgendwann war sie so genervt, dass sie sich ihre Tochter an der Hand schnappte.
»Warte mal. Ich weiß ja, dass du mich lieb hast, vor allem, weil ich dir dein liebstes Essen mache. Aber du musst mir das nicht alle drei Minuten sagen.«
Lena nickte und ging zurück in ihr Kinderzimmer. Von nun an war es in der Küche ruhig.
Eine halbe Stunde später war das Essen fertig. Mama nahm den großen Topf vom Herd und ging ins Esszimmer. Dort wollte sie nicht glauben was sie sah. Auf den Wänden, den Möbeln, sogar auf dem Fußboden klebten überall rote Herzen, auf denen immer wieder die selben fünf Worte geschrieben standen.
›Mama, ich hab dich lieb.‹
Mama fühlte sich geschmeichelt, dachte aber bereits an die Arbeit, die sie haben würde, das ganze Papier einzusammeln.
»Ich hab dich auch lieb, Kleines.«, sagte sie als sich Lena an den Tisch setzte und sich die ersten Ravioli auf den Teller schaufelte.

(c) 2012, Marco Wittler

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