456. Muskelmänner

Muskelmänner

Papa hatte seine Tasche gepackt. Wie an jedem Mittwoch Nachmittag fuhr er zum Sport ins Fitnessstudio. Sein kleiner Sohn Max stand schon an der Tür und hielt ihm die Jacke hin.
»Warum kann ich denn nicht mitkommen?«, fragte Max, wie er es jede Woche tat.
»Weil das für Kinder zu schwer ist. Außerdem sind die Sportgeräte so groß, dass du mit deinen Armen gar nicht an die Griffe kommen würdest.«
Max presste seine Lippen aufeinander und schmollte.
»Kann ich denn wenigstens mitkommen und dir zuschauen?«
Papa schüttelte den Kopf.
»Du weißt doch, dass da keine Kinder erlaubt sind. Du könntest auf dumme Ideen kommen und doch an den schweren Gewichten spielen. Da kann einfach zu schnell etwas Schlimmes passieren.«
»Ich möchte aber auch richtige Muskeln haben.«
Doch das Betteln half nichts. Max musste zu Hause bleiben.

Zwei Stunden später war Papa wieder zurück. Er holte seine Sportsachen aus der Tasche, legte sie in die Wäsche und räumte die Schuhe ordentlich in das Regal vor der Tür.
»Ich bin wieder da.«, rief er durch den Flur.
»Und ich bin jetzt auch ein Muskelmann.«, rief Max zurück.
Nur Sekunden später kam er aus seinem Kinderzimmer und präsentierte sich.
»Siehst du. Jetzt habe ich richtig muskulöse Arme und Beine. Jetzt wird mich bestimmt niemand mehr im Kindergarten verkloppen. Die großen Jungs werden alle Angst vor mir haben.«
Papa musste grinsen, als er sah, dass Max Hose und Pullover mit Luftballons ausgestopft waren.
»Du bist ein toller Muskelmann.«, lobte Papa.
»Wenn ich doch bloß auf die Idee gekommen wäre, dann müsste ich nicht jede Woche ins Fitnessstudio fahren.«
Er tippte vorsichtig mit dem Finger auf einen der beiden Ballonarme.
»Und was passiert, wenn die bösen Jungs im Kindergarten deine Muskeln mit einer Nadel zerstechen?«
»Dann laufe ich ganz schnell weg.«, antwortete Max und flitzte zurück in sein Zimmer.

(c) 2013, Marco Wittler

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