464. Der neue Leuchtturm

Der neue Leuchtturm

Der kleine Leuchtturm ärgerte sich. Nein. Er ärgerte sich nicht nur. Er war sogar richtig sauer, denn seit über fünfzig Jahren stand er nun an der Einfahrt eines kleinen Hafens und wies den Schiffen den Weg. Doch nun stand ihm seit ein paar Tagen ein viel größerer Leuchtturm gegenüber, dessen Licht viel weiter über das Meer schien als das seine.
»Ich weiß gar nicht, was sich die Menschen dabei gedacht haben, dieses hässliche Monstrum zu bauen. Dieser Turm ist nicht schön und er passt auch nicht zum Hafen.«, meckerte er immer wieder und das mindestens einmal in der Stunde.
»Wenn die mich nicht mehr haben wollen, dann sollen sie es mir lieber sagen, dann suche ich mir einen neuen Hafen.«
Aber so einfach war das nicht, denn ohne eigene Beine, konnte er nicht so einfach verschwinden.
Ein paar weitere Tage vergingen. Immer mehr ankommende Schiffe richteten sich nun nach dem neuen Licht. Das machte den kleinen Leuchtturm immer trauriger. Nur selten traute er sich, sein eigenes Licht überhaupt noch einzuschalten.
»Was soll ich bloß machen? Ich kann doch nicht so nutzlos hier stehen bleiben. Dann roste ich vor mich hin und sehe in ein paar Jahren richtig schrecklich aus.«
Und in diesem Moment hörte er zum ersten Mal die Stimme des neuen Leuchtturms.
»Ärger dich bitte nicht wegen mir. Glaub mir, es tut mir selbst sehr Leid, dass deine Aufgabe übernehmen sollte. Deswegen habe ich in den letzten Tagen sehr viel nachgedacht, bis mir eine tolle Idee eingefallen ist.«
Die ganze Nacht lang flüsterten sie miteinander und feilten an der Idee, bis der kleine Leuchtturm endlich wieder glücklich war.

Eine Woche später flammte das Licht des kleinen Leuchtturms wieder auf. Doch nun war es nicht mehr auf das Meer, sondern auf den Hafen gerichtet. Das half den Seeleuten, auch im Dunkeln ihren Platz an den Hafenmauern zu finden, ohne unschöne Beulen in ihre Schiffe zu fahren.
»Das war die beste Idee aller Zeiten.«, lobten sie, bevor sie die untere Etage des kleinen Leuchtturms betraten.
Dort befand sich nun eine Gaststätte, in der sie essen, trinken, singen und feiern konnten.

(c) 2013, Marco Wittler

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