636. Nik und Nele und das Atmosphärenrennen (Nik und Nele 13)

Nik und Nele und das Atmosphärenrennen

Nik und Nele, die beiden Zwillinge, saßen gemeinsam auf der unteren Matratze des großen Etagenbettes und hatten ihre Nasen tief in ein Buch über den Weltraum gesteckt.
»Der Jupiter ist schon ziemlich cool.«, war Nele begeistert. »Er ist so wahnsinnig riesig. Würde ganz plötzlich die Sonne verschwinden, wäre er groß genug, um alle anderen Planeten bei sich zu behalten. Nur leuchten kann er nicht.«
»Also ich finde ja seine Atmosphäre noch viel cooler.«, machte nun Nik weiter. »Die einzelnen Wolkenschichten, die verschiedenen Farben und dann auch noch der große, rote Fleck – ein Wirbelsturm, der so groß ist, dass er unsere ganze Erde in sich verschlucken könnte. Das kann man sich gar nicht so wirklich vorstellen.«
Nele nickte. »Dann sollten wir uns das halt nicht mehr vorstellen, sondern einfach mal vor Ort auf dem Jupiter anschauen.«
Nik war sofort begeistert. Eine Reise zum Jupiter. Das wäre das Coolste überhaupt. doch in diesem Moment kam Mama ins Kinderzimmer und sammelte das Buch ein.
»Was auch immer ihr zwei vorhabt, das verschieben wir auf einen anderen Tag.«, sagte sie. »Es wird langsam Zeit zu schlafen.«
Die Kinder seufzten. »Dabei wurde es gerade richtig schön.« waren sie enttäuscht.
»Ihr dürft Morgen wieder eure Nasen in eure Bücher stecken.«
Mama schickte Nik in das obere Bett, deckte ihre Zwillinge zu, gab ihnen einen Gute Nacht Kuss und wünschte eine gute Nacht.
»Schlaft gut und träumt schön, ihr zwei. Wir sehen uns Morgen früh.«
Dann schaltete sie das Licht aus und schloss die Tür hinter sich.
»Wir sollten noch etwas unternehmen.«, sagte Nele in die Dunkelheit hinein. »Ich bin noch gar nicht müde. Schlafen kann ich später auch noch. Was hältst du von einem Ausflug?«
Sie starrte nach oben, in der Hoffnung, dass ihr Bruder zustimmen würde. Der ließ sich nicht lange bitten, kletterte vom oberen Etagenbett nach unten und setzte sich neben Nele.
»Du hast dir doch bestimmt schon ein Ziel ausgesucht, oder?«
Nele knipste ihre Taschenlampe an und nickte grinsend.
»Natürlich. Wir fliegen zum Jupiter. Das ziehen wir jetzt durch. Ich will den großen, roten Fleck auch mal mit eigenen Augen aus der Nähe sehen.«
Sie legte ihr Kopfkissen zur Seite und drückte auf den großen, roten Knopf, der darunter zum Vorschein kam. An den Seiten des unteren Betts schoben sich dicke Glasscheiben nach oben. Die Türen des Balkons öffneten sich und das Bett schwebte langsam darauf zu.
»Nächster Halt: Jupiter.« Nele grinste und machte es sich gemütlich, während die beiden mit ihrem sehr ungewöhnlichen Raumschiff in Richtung Himmel flogen.

Das Ziel war schnell erreicht. Es dauerte keine halbe Stunde, bis das fliegende Etagenbett ganz nah über dem Jupiter schwebte. So schnell war kein anderes Raumschiff der Erde. Astronauten würden ein paar Jahren brauchen, um hierher zu kommen.
»Der Planet sieht wirklich cool aus.«, war Nik begeistert. »Ich habe schon sehr viele Fotos von ihm gesehen, aber die sind nichts gegen das Original.«
Die Zwillinge konnten sich nicht satt sehen. Mit jedem Blick, mit jedem Augenaufschlag entdeckten sie etwas Neues zwischen den verschiedenen Farbschlieren des Jupiter.
Nele sah auf ihre Uhr. »Gleich ist es so weit. Gleich können wir ihn endlich sehen.«
Und genau dann geschah es. Jupiter drehte sich ein Stück weiter um sich selbst und gab nun die Sicht auf seinen großen, roten Fleck frei. Der größte Wirbelsturm des Sonnensystems präsentierte sich nun in seiner ganzen Pracht.
»Wenn ich doch bloß wüsste, warum er schon so lange existiert und nicht wieder verschwindet. Die Wirbelstürme auf der Erde lassen doch auch irgendwann mal nach.«
Nele grinste über das ganze Gesicht. »Schauen wir doch einfach nach.«
Nik war wirklich neugierig auf das große Geheimnis, aber er hatte auch Angst.
»Meinst du nicht, dass das zu gefährlich ist? Vielleicht verschluckt uns der Wirbel oder er zerstört unser Bett und wir kommen nicht mehr nach Hause. Dann bekommen wir von Mama bestimmt großen Ärger.«
»Wir passen auf.«, versprach ihm seine Schwester. »Bevor es zu gefährlich wird, drehen wir um und fliegen nach Hause.«
Nele steuerte das Etagenbett tiefer und flog an den Rand des Sturms. Was sie dort sahen, überraschte sie völlig. Damit hatten sie nun wirklich nicht gerechnet.
»Wie krass.«, kam es aus den Mündern der Kinder. »Der Sturm ist ja künstlich.«
Tatsächlich handelte es sich nicht um einen echten Wirbelsturm, wie sie ihn schon so oft im Fernseher betrachtet hatten, denn in ihm tat sich etwas.
»Was ist das? Was bewegt sich denn da in ihm?«
Trotz größter Anstrengung konnte Nik nichts Genaues erkennen.
»Wir sollten näher heran fliegen.«
Also steuerte Nele das Etagenbett tiefer in die Atmosphäre des Jupiters und näher an den Wirbelsturm heran. Irgendwann erkannten sie, was sich dort tat. Es waren kleine Flugmaschinen, die ständig mit hoher Geschwindigkeit im Kreis herum flogen und dabei den roten Wirbel erzeugten.
Die Zwillinge sahen eine Weile dabei zu, bis sie Lust bekamen, selbst mitzumachen. Sie gaben kräftig Gas, tauchten in den roten Fleck ein und überholten innerhalb kürzester Zeit alle Flugmaschinen, die hier ihr Rennen bestritten.
»Hey!«, rief plötzlich ein Fliegerpilot zu ihnen rüber. »Ihr habt ja ein echt cooles und schnelles Raumschiff. Was haltet ihr davon, wenn ihr gegen mich ein Atmosphärenrennen macht? Jeder Teilnehmer fliegt zehn mal um den ganzen Planeten und dazwischen immer einmal durch ihn hindurch. Wer zuerst zurück am roten Fleck ist hat gewonnen.«
Das ließen sich Nik und Nele natürlich nicht zweimal sagen.Sie waren einverstanden. Wenige Sekunden später ging es auch schon los.
Das fliegende Etagenbett raste über den Planeten hinweg und zog einen langen, dunklen Streifen durch die Atmophäre. Nach der ersten Runde tauchten sie in den Jupiter ein und verdrängten dabei jede Menge braune und gelbe Wolken, bis sie fast mit dem inneren Kern zusammengestoßen wären. Nele konnte gerade noch ausweichen, steuerte um ihn herum und setzte den schnellen Flug fort, bis sie wieder freie Sicht auf den Weltraum hatten.
»Auf geht’s zur zweiten Runde.«
Mittlerweile beteiligten sich auch alle anderen Flugmaschinen am Rennen. Jeder wollte das ungewöhnliche Raumschiff besiegen. In der Atmosphäre des Jupiters entstand ein wildes Gewusel, in dem man kaum noch den Überblick behalten konnte. Am Ende konnten die Zwillinge aber trotzdem den Sieg für sich gewinnen.
»Was für ein cooler Ausflug.«, war Nik noch immer während des Heimflugs begeistert. »Das müssen wir irgendwann wieder machen.«
»Aber nicht mehr heute Nacht. Wir brauchen noch etwas Schlaf, bevor uns Mama Morgen früh weckt.«

Zur gleichen Zeit saß ein Weltraumforscher vor seinem riesigen Teleskop und beobachtete das All. Schon lange hatte er den Wunsch, einmal in seinem Leben etwas Besonderes zu entdecken. Viele seiner Kollegen hatten Monde, Sterne oder sogar neue Planeten entdeckt. Er selbst war aber bisher leer ausgegangen. Doch nun war er ganz nah daran, etwas zu sehen, dass niemand zuvor mit seinen Augen erblickt hatte.
Der Forscher drehte an den Einstellungsrädchen und bekam den Jupiter vor die große Linse.
»Du meine Güte!«, war der Forscher außer sich. »Das kann doch gar nicht sein.«
Er rieb sich über die Augen und sah noch einmal in das Teleskop.
»Das ist ja der Wahnsinn. Der Jupiter sieht plötzlich ganz anders aus. Ich habe fast den Eindruck, dass ihn jemand mit einem riesigen Schneebesen aufgeschäumt hat.«
Tatsächlich war dort oben im All nur noch ein riesiger Schaumball zu sehen. Das wilde Rennen hatte den Jupiter extrem durchgewirbelt, dass er nun ganz anders aussah.
Der Forscher dachte kurz nach, rieb sich ein weiteres Mal die Augen und sah wieder auf den Planeten.
»Verdammt. Das kann einfach nicht wahr sein. So etwas kann nicht passieren.«
Er sah auf seine Armbanduhr und gähnte laut.
»Ich bin völlig übermüdet und bilde mir das alles bestimmt nur ein. Ich darf das niemandem erzählen. Die Kollegen werden mich für verrückt erklären.«
Er seufzte und schaltete das Teleskop ab. Dann verzog er sich in sein Bett. Zu seinem Pech glaubte er nicht an seine Entdeckung und vergaß sie auch sehr schnell wieder. Das war auch der Grund, warum er nie berühmt wurde und auch niemand davon erfuhr, dass sich der Jupiter für eine kurze Zeit in einen Schaumball verwandelt hatte.

(c) 2018, Marco Wittler

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