Schattenplatz
Hallo Steffi.
Endlich haben die Sommerferien angefangen und wir sind mit der ganzen Familie in den Urlaub gefahren. Dieses Jahr verbringen wir die drei Wochen in Spanien am Mittelmeer.
Nein, wir sind natürlich nicht nach Mallorca gefahren. Das würde uns eh nicht gefallen. Da sind viel zu viele Menschen am Strand und man findet keinen Platz. Wir sind in einem kleinen Dorf und haben das Haus von Papas Kollegen gemietet.
Jeden Tag gehen wir nach dem Frühstück ein kleines Stück einen Berg herab und sind dann in einer kleinen Bucht. Das ist da echt toll, weil es keine großen Wellen gibt. Deswegen dürfen mein kleiner Bruder Tommi und ich auch bis zum Bauch allein ins Wasser, ohne das Mama und Papa die ganze Zeit neben uns stehen.
Wie die wenigen anderen Leute hier, liegen wir immer an der gleichen Stelle. Da ist ein altes Ehepaar aus Holland, die immer so weit vorn liegen, dass ihre Füße im Wasser sind. Ein Stück weiter weg, auf einem Felsen, sitzen ein paar große Jungs, die jeden Tag ihr Radio laufen haben. Aber das stört uns nicht. Wir selbst sitzen immer im Schatten unter einem großen Baum – dem einzigen am Strand – damit wir nicht so schnell einen Sonnenbrand bekommen.
Es ist also ein richtig toller Urlaub und macht uns ganz viel Spaß. So einen tollen Ort habe ich vorher noch nie gesehen.
Zumindest war es das bis heute Morgen. denn dann war etwas anders.
Als wir zum Strand kamen, waren alle anderen Urlauber schon da. Ein Neuer war auch dazu gekommen. Nein, nicht das was du jetzt wieder denkst. Es war nicht der Torwart von den Bayern, sondern nur ein neuer Tourist. Und du wirst es dir nicht vorstellen können, er hatte sich tatsächlich unter unserem Baum breit gemacht. Er war zwar allein, hatte sich aber so breit gemacht, dass niemand anderes mehr Platz hatte. Er lag auf einem wirklich riesigen Handtuch. Daneben standen noch ein Klappstuhl, ein Tisch und eine große Kühlbox, in der er jede Menge Bierdosen untergebracht hatte.
Um den Platz herum hatte er einen Sandwall aufgehäuft, damit sich ihm niemand nähern konnte.
Papa sprach ihn natürlich sofort an und erklärte ihm, dass es hier Tradition wäre, dass jeder Badegast während des gesamten Urlaubs seinen festen Platz behalten würde. Die anderen Leute hatten das dem Neuen wohl auch schon gesagt, aber das war ihm alles egal. Der Mann war sogar so unverschämt, dass er uns gar nicht beachtete. Er lag nur rum, schloss seine Augen und ignorierte uns.
»Wir hatten den Baum speziell wegen unserer Kinder ausgesucht, damit sie nicht so schnell einen Sonnenbrand bekommen.«, versuchte es Papa noch einmal.
Dieses Mal, sah uns der Mann doch an.
»Ich will auch keinen Sonnenbrand bekommen. Außerdem bleibt mein Bier im Schatten länger kühl. Dafür müssen sie einfach Verständnis zeigen. Und nun gehen sie bitte woanders hin. Ich will ihre Kinder nicht in meiner Nähe haben. Die machen eh nur Lärm und stören.«
Puh, was für ein fieser Kerl. Und das fanden wir alle. Papa wurde richtig wütend und bekam ein knallrotes Gesicht. Zuerst wollte er schimpfen und meckern, doch dann grinste er nur und nickte.
Ohne ein weiteres Wort kramte er unser großes Familienhandtuch aus unserer Tasche, schlängelte sich irgendwie an den Sachen des Mannes vorbei und kletterte dann auf den Baum.
»Ey, was soll das? Was machen sie denn da?«
Papa ignorierte den Mann unter sich und begann, das Handtuch an die Äste zu knoten. Als er fertig war, warf er unser ganzes Spielzeug nach oben und grinste.
»Kinder, ab mit euch nach oben. Ich habe euch eine gemütliche Hängematte gebaut. Das ist jetzt für den restlichen Urlaub euer Strandplatz.«
Der Neue wurde nun auch wütend.
»Was soll der Mist? Ich will hier meine Ruhe haben. Das können sie mit mir nicht machen.«
Papa baute sich ganz ruhig vor ihm auf. »Ist das ihr Baum? Wollen sie da oben in den Ästen sitzen?«
Der Mann schüttelte den Kopf.
»Dann ist ja alles geklärt. Die Äste sind also frei.«
Der Neue seufzte. »Schon gut. Hab verstanden.«
Dann stand er auf, packte sein Zeug und verzog sich vom Strand.
»Ich verschwinde in die in die Nachbarbucht. Da muss ich wenigstens keine Kinder ertragen.«
Und wir ihn nicht mehr. Das war das Beste daran.
Wie ist es denn bei euch im Urlaub? Habt ihr auch sowas Verrücktes erlebt?
Liebe Grüße,
deine Nina.
P.S.: Mein kleiner Bruder ist dieses Mal sogar richtig erträglich. Er sitzt den ganzen Tag im flachen Wasser, spielt mit seiner Schüppe, sammelt Muscheln in seinem Eimer und geht mir nicht auf die Nerven. Das ist echt ein cooler Urlaub.
Und jetzt überlege ich mir noch, ob ich dir den Brief mit einer Flaschenpost schicke und wie lange sie braucht, bis sie in Deutschland ankommt.
(c) 2018, Marco Wittler
Zu dieser Geschichte wurde ich durch mein Foto des Monats inspiriert. Der Baum steht zwar nicht, am Strand, aber auf eine ette Idee hat er mich trotzdem gebracht. Weitere Geschichten zum „Baum findest du hier.
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