Achtung Tanne!
Liebe Steffi.
Ich habe mich unglaublich über deinen letzten Brief und mein Weihnachtsgeschenk von dir gefreut. Dieser süße rosa Schal passt richtig gut zu meiner neuen Mütze.
Oh, da fällt mir ein, dass ich das Geschenk noch gar nicht hätte auspacken dürfen. Immerhin ist Weihnachten ja erst Morgen. Aber du kennst mich ja, ich halte es einfach nicht so lange aus. Dafür bin ich viel zu neugierig. Vielleicht bin ich sogar der neugierigste Mensch der Welt.
Aber jetzt möchte ich dir erstmal von unseren Weihnachtsvorbereitungen berichten. Bei denen durfte ich nämlich in diesem Jahr das erste Mal helfen.
Wir sind vor ein paar Tagen – also Papa, Mama und ich – zu einem Bauernhof in der Nähe gefahren. Mein kleiner Bruder Tommi musste bei Oma bleiben. Er war den ganzen Tag über zickig gewesen und hatte mich nur geärgert.
Auf dem Bauernhof standen ganz viele Weihnachtsbäume. Das waren wirklich so viele, dass ich sie gar nicht zählen konnte. Na gut, ich hab es auch gar nicht erst versucht.
Die fertig geschnittenen Bäume hatten uns aber nicht interessiert. Papa wollte eine eigene Tanne fällen. Du weißt schon. So richtig mit Werkzeug und seinen eigenen zwei Händen. Ich hab ihn zwar gefragt, ob man das auch mit einer App machen könnte, aber darauf gab es natürlich keine Antwort.
Wir sind also eine ganze Weile durch die Reihen marschiert und haben uns einen Weihnachtsbaum nach dem anderen angesehen. Mal waren sie klein, mal zu groß. Dann wieder zu breit, zu schmal, zu wenig oder zu viele Äste, zu krumm, zu schief. Mal war Papa die Spitze zu kurz, dann wieder zu lang. Einige Bäume besaßen sogar zwei bis drei Spitzen, was irgendwie witzig aussah. Aber auch die wollte er nicht haben. Er hat nämlich nur einen einzigen Weihnachtsstern auf dem Dachboden liegen. Und du weißt ja, auf jede Baumspitze gehört einer.
Am Ende, nach bestimmt drei Stunden Suche, hatte er endlich den passenden Weihnachtsbaum gefunden.Da gab es nur ein Problem. Und das Problem hieß Nina – also ich.
Ich sah mir die Tanne ganz genau von allen Seiten an. Irgendwie gefiel sie mir gar nicht. Ich konnte nicht mal sagen, was mich so gestört hat. Ich wollte sie einfach nicht haben.
Da hättest du mal Papas Gesicht sehen sollen. Es lief ganz rot an. Der wurde echt heftig wütend. Doch statt mit mir zu meckern, ließ er einfach dein Werkzeug fallen, stapfte zum Auto zurück und ließ mich mit Mama da stehen.
»Dann kümmert euch doch selber um einen Weihnachtsbaum.«, grummelte er vor sich hin.
Wir fuhren also wieder nach Hause. Unterwegs wurde im Auto kein einziges Wort gesprochen. Nicht mal das Radio wollte Papa einschalten. War nicht so wirklich schön.
Als wir zu Hause ausstiegen fiel mein Blick sofort auf einen Baum in unserem Vorgarten. Den wollte Papa schon im Sommer fällen, weil er kein Licht mehr ins Wohnzimmer ließ. Der wäre der perfekte Weihnachtsbaum.
»Du? Papa?«, umschmeichelte ihn.
»Was hältst du denn von dem da?«
Papa sah sich nicht mal um. »Mir doch egal. Ihr könnt euch selbst drum kümmern.« Dann ging er direkt ins Haus.
Puh! Mama und ich? Alleine? Einen Weihnachtsbaum fällen? Haben wir doch noch nie gemacht. Wie sollte das gehen?
Zum Spaß winkte ich die Tanne zu mir. »Los, komm mit!«, rief ich lachend. »Wir brauchen dich als Weihnachtsbaum.
Und ob du es glaubst oder nicht. Die Tanne bewegte sich. Sie riss ihre Wurzeln aus der Erde und stapfte langsam hinter uns her.
Mama und ich bekamen einen riesigen Schrecken. Wer hätte denn damit gerechnet?
Wir sprangen schnell zur Seite und machten Platz. Ich brüllte »ACHTUNG TANNE!« ins Haus. Dann gingen wir unserem neuen Weihnachtsbaum langsam hinterher.
Papa wären beinahe die Augen aus dem Kopf gefallen.
»Siehste!«, sagte ich zu ihm. »Geht auch ohne deine Hilfe.«
Die Tanne stellte sich in eine Ecke des Wohnzimmers und bewegte sich danach nicht weiter. Wir konnten mit dem Schmücken beginnen.
Das war es dann auch schon wieder von mir. Was wir sonst noch alles an Weihnachten erlebt haben, berichte ich dir dann im nächsten Brief.
Deine Nina.
P.S.: Wenn ihr auch noch keinen Weihnachtsbaum gefunden habt, versuch es doch mal mit meiner Methode. Vielleicht klappt es ja auch bei euch.
(c) 2018, Marco Wittler
Diese Geschichte ist Teils des Blogger Adventskränzchens 2018. Das heutige Thema lautet „Attention, Tännchen“. Die anderen Blogs und Kanäle findest du hier.
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