735. Verschollen im Meer

Verschollen im Meer

Es waren Sommerferien. Die Familie war in den Süden an einen großen, breiten Strand geflogen, um mal so richtig entspannen zu können.
Während Mama und Lisa auf ihren Handtüchern in der Sonne braun wurden, hatten sich Papa und Paul ein Schlauchboot gekauft, mit dem sie nun durch das Meer ruderten.
Ständig klatschten Wellen gegen das kleine Boot und schaukelten es kräftig durch. Mit der Zeit wurde das ganz schön anstrengend, denn dir Arme der beiden bekamen einen schmerzenden Muskelkater. Sie waren es einfach nicht gewohnt, so viel an den Rudern zu arbeiten.
»Ich kann nicht mehr.«, sagte Paul irgendwann völlig erschöpft. »Ich brauche unbedingt eine Pause. Wann geht’s zurück an den Strand?«
Papa sah zurück und seufzte.
»Oh man. Wir sind ganz schön weit draußen.Ich kann Mama und Lisa gar nicht mehr erkennen.«
Er drehte das Schlauchboot herum und ruderte ein paar Mal Richtung Ufer. Aber dann musste auch Papa aufgeben.
»Ich kann auch nicht mehr. Ich fürchte, wir haben es mächtig übertrieben.«
»Und was machen wir jetzt?«, fragte Paul ängstlich. »Wir können doch nicht einfach hier draußen bleiben.«
»Bleiben wir auch nicht.«, erklärte Papa. »Wir machen einfach etwas Pause und rudern dann halt etwas später wieder zurück.«
Also lehnten sie sich zurück und bräunten sich ebenfalls in der Sonne. Dabei schliefen sie recht schnell wegen der Erschöpfung ein.
Irgendwann richtete sich Papa wieder auf und sah sich blinzelnd um. Es mussten ein paar Stunden vergangen sein, denn er konnte das Ufer nicht mehr finden. Es war verschwunden.
»Verdammt!«, erschrak er. »Hier muss es eine kräftige Strömung geben, die uns weit aufs Meer hinaus gezogen hat. Wie sollen wir denn jetzt zurück kommen? Ich weiß nicht mal wohin wir rudern müssen.«
Egal wohin er auch blickte, es war nur das Meer zu sehen. Sie waren verloren.
Paul, der von Papas Schrei geweckt worden war, bekam Angst.
»Papa, ich will hier weg. Ich will wieder zu Mama.«
Der Junge begann zu weinen. Dicke Tränen kullerten ihm die Wange hinab. Papa nahm ihn in den Arm und drückte ihn an sich.
»Es wird alles wieder gut. Mach dir keine Sorgen. Ich lasse mir was einfallen und bringe uns garantiert zurück zum Ufer.«
In diesem Moment ging ein kräftiger Ruck durch das kleine Schlauchboot. Es schaukelte hin und her. Schließlich hob es sogar ab und schwebte ein paar Zentimeter über der Wasseroberfläche.
»Hey!«, rief Papa. »Was geht denn hier vor sich? Sind wir auf einer Sandbank gestrandet?«
Er beugte sich vorsichtig über den Rand des Bootes und entdeckte unter sich ein großes, graues Etwas, auf dem sie sich nun befanden.
»Was ist das?«, fragte Paul unsicher.
»Ich weiß es nicht.«, antwortete Papa. »Vielleicht stehen wir auf einem U-Boot, das gerade auftaucht. Aber sicher bin ich mir nicht.«
Das graue Ding unter ihnen nahm Fahrt auf, wurde immer schneller. Irgendwann tauchte mehr von ihm auf. Aus einem großen Loch wurden Luft und Wasser nach oben gespritzt.
»Das glaub ich jetzt nicht.«, war Papa verblüfft. »Wir sitzen auf dem Rücken eines riesigen Wals.«
Paul war erstaunt. So ein großes Tier hatte er noch nie mit eigenen Augen gesehen. Er kannte Wale nur aus dem Fernsehen.
»Wird der Wal uns fressen?«, bekam er Angst.
Papa schüttelte den Kopf. »Mach dir da mal keine Sorgen. Wale sind eigentlich recht friedliche Lebewesen. Menschen gehören nicht zu ihrem Speiseplan. Manchmal schwimmen sie sogar mit Menschen im Meer und schauen sie sich neugierig an.«
Und so musste es wohl auch sein. Der Wal verzichtete darauf, immer wieder unter Wasser zu tauchen. Er behielt das kleine Schlauchboot auf seinem Rücken und schwamm damit immer weiter in die gleiche Richtung.
Irgendwann tauchte am Horizont die Küste wieder auf. Das Land kam immer näher. Papa und Paul konnten sogar den Strand und die vielen Badegäste erkennen.
Als sie nur noch wenige hundert Meter vor sich hatten, tauchte der Wal weg und entließ das Schlauchboot ins Wasser. Zum Abschied umrundete der Papa und Paul noch einmal und betrachtete sie für mehrere Sekunden mit seinem großen Auge. Dann verschwand er wieder zurück ins Meer.
»So ein toller Wal.«, war Paul begeistert. »Ohne ihn wären wir verloren gewesen.«

(c) 2019, Marco Wittler

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