Wir retteten Weihnachten
Starker Wind war in dieser Nacht aufgekommen. Es stürmte bereits seit einigen Stunden. Aus den Wolken darüber fiel unablässig Schnee in dicken und noch dickeren Flocken. Es war kaum noch etwas zu sehen. Selbst die eigene Nasenspitze verschwand darin.
»Kannst du überhaupt noch etwas sehen?«, fragte Anton aus dem hinteren Teil des großen Papierfliegers.
»Nein!«, antwortete der Neelefant. »Sogar meine Rüsselspitze kann ich nicht mal mehr erahnen.«
Anton, die kleine Maus und bester Freund des Neelefanten, sah sich unsicher um. Die vielen Schneeflocken machten den Papierflieger nicht nur schwerer, sie weichten auch das Papier nach und nach auf.
»Ich weiß nicht, ob wir uns noch lange halten können. Das sieht nicht gut aus.«
Das merkte nun auch der Neelefant. Die Steuerung des Papierfliegers wurde immer schwerer, der Flugkurs kaum noch zu halten. Sie verloren an Höhe, drohten immer wieder abzustürzen.
»Ich glaube, es ist besser, wenn wir irgendwo landen und das Ende des Schneesturms abwarten.«
Anton nickte nur, bis ihm einfiel, dass der Neelefant diese Geste bei dem schlechten Wetter gar nicht sehen konnte.
»In Ordnung. Das ist mir auch lieber.«
Der Neelefant sah sich um. Wo konnten sie den Papierflieger nur sicher landen? Beim letzten Mal, als sie die Erde unter sich sehen konnten, hatten sich dort riesige Wälder befunden, die in alle Richtungen bis zum Horizont gereicht hatten.
»Ich glaube, ich sehe das was. Vor uns glimmt ein kleines, rotes Licht. Vielleicht ist dort ein Haus, in dem ein Kaminfeuer brennt.«
Der Neelefant steuerte genau auf dieses Licht zu, in der Hoffnung, einen geeigneten Landeplatz zu finden.
Und dann ging alles ganz schnell. Aus der Dunkelheit schälte sich etwas Großes, das nur einen Wimpernschlag später mit dem Papierflieger zusammen stieß.
Anton und der Neelefant stürzten mit ihrem Fluggerät ab. Wenige Meter tiefer landeten sie im Schnee, der sie vor Verletzungen und Knochenbrüchen bewahrte.
»Da haben wir aber nochmal Glück gehabt.«, war Anton froh.
»Der Flieger hat auch nicht viel abbekommen. Ein paar Knicke sind drin, die kann ich aber wieder ausbügeln. Wir sind bald wieder abflugbereit.«
Und dann hörten sie die wimmernde Stimme einer Person, die nur wenige Schritte entfernt sein konnte.
»Ist das jemand?«, fragte der Neelefant? »Bist du in Ordnung oder geht es dir nicht gut?«
Anton kletterte auf die Schulter des Neelefanten. Gemeinsam näherten sie sich der Stimme, bis sie vor einem alten, dicken Mann mit weißem Bart standen.
Den Beiden standen die Münder weit offen. Konnte das wirklich sein? War er es tatsächlich?
»Bist du der Weihnachtsmann?«, fragte Anton.
Der Weihnachtsmann nickte. »Ja, der bin ich. Mir geht es gut, aber beim Zusammenstoß ist mein Schlitten so unglücklich abgestürzt, dass an einem der Bäume zerschellt ist.«
Er seufzte laut.
»Ganz ehrlich, ich weiß grad nicht, was aus dem Weihnachtsfest nun werden soll. Die Geschenke liegen überall im Schnee verteilt und ich kann sie nicht mehr ausliefern. Zum Glück geht es aber meinen Rentieren gut.«
Anton sah das Schlamassel und es tat ihm sofort wahnsinnig leid, dass sie an diesem Unfall und seinen Folgen beteiligt waren.
»Da müssen wir was tun. Wir helfen dir, wo wir nur können.«
Der Weihnachtsmann sah die kleine Maus kritisch an.
»Wie wollt ihr mir denn helfen? Ihr habt keinen Schlitten, mit dem ich weiterfliegen könnte.«
Der Neelefant grinste den Weihnachtsmann an.
»Wir haben vielleicht keinen Schlitten, dafür aber einen großen Papierflieger, der viel stabiler ist, als er aussieht und der schon so manches Abenteuer mit uns überstanden hat. Er wird bestimmt auch deine Geschenke tragen können.«
Und so sammelten sie gemeinsam alle Geschenke ein, verstauten sie wieder im Sack des Weihnachtsmann und beluden damit den Papierflieger.
Die Rentiere wurden vor den Flieger gespannt, während Anton, der Neelefant und der Weihnachtsmann ebenfalls darin Platz nahmen.
»Jetzt bin ich aber gespannt.«, zweifelte der Weihnachtsmann dieses Vorhaben an.
Er nahm die Zügel des Rentiergespanns zur Hand und gab damit das Startsignal. Die Rentiere zogen an, liefen schneller und schneller, bis sie schließlich abhoben und hoch in den Himmel hinauf stiegen.
»Tolle Sache so ein Papierflieger.«, lobte der Weihnachtsmann. »Ich hätte nicht gedacht, dass man damit so wunderbar durch die Lüfte fliegen kann. Aber nun müssen wir zusehen, dass wir die verlorene Zeit wieder aufholen, sonst sind bis Sonnenaufgang nicht alle Geschenke verteilt.«
Dabei halfen Anton und der Neelefant nur zu gern. Gemeinsam lieferten sie nun mit dem Weihnachtsmann die Geschenke aus. Bei jeder Landung schnappte sie sich die Pakete und legten sie unter die Bäume der Familien. So schafften sie es, das Weihnachtsfest zu retten.
(c) 2019, Marco Wittler
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