814. Im Land der Schlangenfresser (Hannes geht auf Reisen 02)

Im Land der Schlangenfresser

Der kleine rote Teddybär Hannes saß im Terminal des Köln-Bonner Flughafens und sah von seinem Platz aus den startenden Flugzeugen zu. Nur zu gern erinnerte er sich noch an sein erstes Abenteuer in der weiten Welt, seinem Flug nach London, um einen verloren gegangenen Penny in seine Heimat zurück zu bringen.
»Ach, war das toll. Nur zu gern würde ich noch einmal ein anderes Land besuchen und die Menschen dort kennenlernen. Aber ich kenne keine anderen Länder und weiß auch nicht, ob ich sie spannend genug finde.«
Während der kleine Teddy noch seine Gedanken schweifen ließ, stürmte plötzlich ein Mann in Anzug und Krawatte mit seinem Koffer durch den großen Wartesaal.
»Verdammt! Ich verpasse meinen Flieger!«, rief er laut. »Wenn das Taxi bloß nicht im Stau gestanden hätte.«
Dann griff er in die Tasche seines Jacketts und holte sein Handy heraus. Dabei fiel ihm etwas aus der Tasche und rollte in die Gegenrichtung davon. Es war eine große, goldfarbene Münze.
Hannes sah das sofort und rief dem davon eilendem Mann hinterher. Der hörte ihn aber nicht und verschwand um die nächste Ecke.
Die Münze rollte noch ein paar Meter und blieb schließlich vor den Füßen des Teddybären liegen.
Hannes nahm sie auf und betrachtete sie von beiden Seiten. Auf der einen war eine Frau dargestellt, auf der anderen ein ganz spannendes Bild. Auf einem Kaktus saß ein Adler, der gerade eine Schlange mit seinem Schnabel gefangen hielt.
»Was?«, war Hannes erstaunt. »Adler fressen Schlangen? Das ist ja krass.«


So etwas Verrücktes konnte sich Hannes gar nicht vorstellen. Schlangen waren extrem gefährlich und giftig. Mit denen sollte sich niemand anlegen. Trotzdem interessierte es ihn nun, wie es zu diesem Bild gekommen war.
»Estados Unidos Mexicanos« stand um den Adler herum geschrieben. »Mexiko!«, wusste Hannes, war ein Flugziel des Flughafens. Er musste nur noch den richtigen Flieger finden.
Der Teddybär steckte die große Münze ein und machte sich auf den Weg. Schnell hatte er einen Schalter gefunden. Während eine Familie ihre Koffer auf ein Fließband stellte, hüpfte Hannes einfach dazu und ließ sich zum Flugzeug transportieren. Es dauerte nur wenige Minuten, bis er sich an Bord befand.

Einige Stunden später setzte die Maschine auf der anderen Seite der Erde auf dem Boden wieder auf. Hannes war in Der Haupstadt Mexikos angekommen. Auf dem gleichen Weg, wie er in Köln ins Flugzeug gekommen war, schlich er sich nun hinaus.
»Puh!«, erschrak Hannes. »Das ist ja wahnsinnig heiß hier. Wer hat denn da die Heizung angelassen?«
Er wischte sich die ersten Schweißperlen von der Stirn, erst dann verließ er das Flugafengebäude.
»Das darf doch nicht wahr sein. Hier ist es ja noch viel heißer.«, stöhnte er laut.
Hannes sah sich um und entdeckte am Horizont einen hohen, Rauch speienden Berg. »Das … das ist ein Vulkan! Das muss der Grund sein, warum es hier so heiß ist.«
»Hey! Kleiner Bär.«, rief ihm ein Mann zu. »Das ist nicht nur ein Berg. Das ist El Popo, der Popocatépetl, ein berühmter Krieger aus der zeit vor allen Zeiten. Er starb aus Kummer um seine Braut Iztaccihuatl, die schon vorher aus Kummer verstorben war, weil man ihr erzählt hat, der Krieger wäre getötet worden. Sie wurden beide mit Schnee bedeckt und verwandelten sich in Berge.«
Hannes nickte nur, dachte sich aber, dass diese Geschichte unmöglich wahr sein konnte. Er hatte nie zuvor von Menschen gehört, die sich in Berge verwandelt hatten.
Doch dann begann Hannes zu lachen. »El Popo? Ein Krieger, der sich Popo nennt, ist lustig.«
Dann verabschiedete er sich von dem Unbekannten und marschierte quer durch die Stadt, auf der Suche nach einem Adler, der mit einer Schlange kämpfte.
Stunde um Stunde war der Teddy unterwegs. Die Sonne ließ ihn pausenlos schwitzen. Aber ein Ziel war nicht in Sicht. Links und rechts der unzähligen Straßen standen nur Häuser verschiedener Größe, aber keine Kakteen und erst recht keine Adler.
»Ich glaube, die Münze hat mich auf den Arm genommen. Hier gibt es bestimmt keine wilden Tiere.« war Hannes enttäuscht. Vielleicht sollte ich wieder nach Hause fliegen.«
Er drehte also um und schlurfte zum Flughafen zurück. Als er an seinem Ausgangspunkt wieder angekommen war, war die Sonne bereits untergegangen.
»Ich bin so unglaublich müde. Jetzt wünsche ich mir nur noch einen gemütlichen Platz zum Schlafen. Aber erst muss ich mir noch einen Flieger nach Hause suchen.«
Völlig erschöpft kletterte Hannes in ein Flugzeug nach Köln und setzte sich auf einen Platz an einem Fenster. Kurz bevor ihm die Augen komplett zugefallen waren, erblickte er noch etwas am Rand der Startbahn. Dort wuchs ein Kaktus, auf dem gerade ein Adler saß und mit einer riesigen Schlange kämpfte.
Sofort schlug Hannes die Augen wieder auf und beobachtete, wie der Vogel seinen gefährlichen Gegner besiegte.
»Ich wusste doch die ganze Zeit, dass Adler mit Schlangen kämpfen und ich einen finden werde.«
Glücklich holte der Teddybär die gefundene Münze aus seiner Tasche und ließ sie über den Boden des Flugzeuggangs rollen. Nach wenigen Metern bog sie ab und fiel aus der Eingangstür, kurz bevor diese geschlossen wurde.
Hannes wurde von seiner Müdigkeit übermannt und schlief ein.

(c) 2020, Marco Wittler

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