Eine neue Welt
Das Weltall.
Unendliche Weiten.
Unendliche Leere.
Nur ab und zu wird diese Leere von dem einen oder anderen Stern unterbrochen. Manche davon werden von Planeten umkreist, andere wiederum nicht.
Wir sind mit unserem Raumschiff unterwegs, um diese Planeten zu besuchen und nach Leben Ausschau zu halten.
»Nach intelligentem Leben!«, unterbrach die Stimme des Computers die aktuelle Aufzeichnung des Captains.
Der Captain stöhnte auf.
»Computer, wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du mich nicht während meiner Logbucheiträge unterbrechen sollst?«
»Oft genug.«, kam prompt die Antwort.
»Dann verstehe ich nicht, warum du es doch beinahe jedes Mal wieder machst.«
Nun stöhnte auch der Computer, zumindest hatte der Captain das Gefühl, es leise gehört zu haben.
»Du beginnst jeden Logbucheintrag mit dem selben Text, Wort für Wort, Silbe für Silbe, Buchstabe für Buchstabe, Satzzeichen für Satzzeichen, Punkt für Punkt. Wenn du willst, dass sich nach unserer Rückkehr zur Erde garantiert niemand deine Aufzeichnungen anhört, dann mach genau so weiter.«
Der Captain seufzte, schaltete das Logbuch ab und verstaute es hinter einer Klappe seines Sitzes.
»Was soll ich denn sonst den ganzen Tag machen?«, beschwerte er sich. »Wir sind seit fünf Jahren im All unterwegs, fliegen von Planet zu Planet, haben noch nichts entdeckt, nicht einmal kleinste Mikroben und ich bin das einzige Lebewesen hier an Bord. Mir … ist … langweilig.«
»Du könntest deine Aufmerksamkeit auch etwas Sinnvollerem widmen. Wir nähern uns nämlich dem nächsten Ziel. Planet Menkib Beta. Wir landen in voraussichtlich zehn Minuten.«
»Zehn Minuten? Aber warum hast du mir nicht früher Bescheid gegeben?«, beschwerte sich der Captain. »Ich hatte keine Zeit, mich darauf vorzubereiten.«
»Du warst mit deinem Logbuch beschäftigt. Ich sollte dich bei deinen Aufzeichnungen nicht unterbrechen.«, wurde er vom Computer erinnert.
Zehn Minuten später landete das kleine Raumschiff am Ufer eines weiten Meeres auf der Planetenoberfläche. Nur Sekunden später öffnete sich die Ausstiegsluke, der Captain trat ins Freie.
»Nur ein kleiner Schritt für den Captain, aber ein großer Schritt für die Menschheit.«, ertönte die Computerstimme im Anzughelm.
»Hey, das ist mein Spruch. Du hast den ganzen Spannungsbogen zerstört.«
»Es gab niemals einen Spannungsbogen. Du sagst diesen Satz bei jeder Landung.«
Der Captain machte ein paar Schritte, testete mit kleinen Hüpfern die Beschaffenheit der Oberfläche. Offensichtlich war sich fest genug, um gefahrlos darauf zu gehen. Glück gehabt.
Der Besuch des allerersten Planeten war nicht so glimpflich abgelaufen. Da war der Raumfahrer bis zu den Schultern in einer schleimigen Masse versunken und hatte sie nur knapp daraus befreien können.
»Ich sehe am Horizont ein paar seltsame … Dinger. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich auf Bäume tippen. Das muss ich mir unbedingt näher betrachten. Vielleicht finden wir hier tatsächlich die ersten Lebensformen, auch wenn sie nur Pflanzen sein werden.«
Er ging schnellen Schrittes auf den Horizont zu, beschleunigte schließlich, bis er lief. Er konnte die Spannung kaum noch aushalten.
Der Captain erreichte eine Anhöhe und sah sich großen, grünen Gewächsen gegenüber, die ihn um mehrere Meter überragten.
»Ich hab es ja gesagt. Das sind Bäume, Pflanzen. Wir haben es endlich geschafft. Wir haben zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit Leben auf einem anderen Himmelskörper entdeckt.«
Er dachte kurz nach, was das alles nun bedeutete.
»Hm, wenn hier Pflanzen wachsen, dann muss es auch Luft hier geben. Dann brauche ich auch meinen Helm nicht mehr.«
»Ich halte das für eine ganz schlechte Idee. Ich muss dringend davon abraten, den Helm abzunehmen oder den Schutzanzug in irgendeiner Art und Weise zu öffnen.«, versuchte der Computer den Captain aufzuhalten. Doch da war es bereits zu spät.
Der Captain öffnete die Verschraubung und legte den Helm ab.
»Ich hab es dir doch gesagt. Die Luft ist atembar. Alles in Ordnung. du bist zu übervorsichtig. Gewöhn dir das doch endlich mal ab.«
Der Captain stockte. Er hielt inne und schnupperte einmal im Kreis, bevor er angewidert das Gesicht verzog. Dann nahm er schnell den Helm zur Hand und setzte ihn wieder auf.
»Ist das etwa das, was ich denke, dass es ist? Hab ich da gerade den ekelhaftesten Geruch wahrgenommen, den ich kenne?«
Der Computer schwieg, was der Captain nur als Bestätigung seiner Vermutung annahm.
»Los, sag es mir?«
Es kam keine Antwort. Der Lautsprecher im Helm blieb still.
Entsetzt trat der Captain ein paar Schritte zurück, um die Bäume genauer in Augenschein zu nehmen.
»Verdammt nochmal. Das ist riesiger Brokkoli. Du weiß genau, wie sehr ich dieses Mistzeug hasse. Das haben deine Sensoren doch bestimmt schon vorher wahrgenommen.«
»Ich hatte dich gewarnt, den Helm abzunehmen. Du wolltest ja nicht auf mich hören.«, meldete sich nun der Computer wieder zurück.
»Wir verlassen sofort diesen grässlichen Planeten. Hier gibt es nichts weiter zu entdecken. Wir vermerken im Logbuch, dass dies hier nur ein langweiliger, lebloser Felsbrocken ist, auf dem es keinerlei Lebensformen gibt.«
Wütend stapfte der Captain zurück zum Raumschiff. Er freute sich bereits darauf, dem Gestank der Brokkolibäume entkommen und sich in seiner privaten Kabine verkriechen zu können. Doch schon von Weitem sah, dass sich bereits die nächste Katastrophe anbahnte.
Aus den Fluten des Meeres erhob sich ein riesiges, graues Ungetüm. Es schien sich um eine Art Wal zu handeln, der allerdings um einiges größer geraten war, als seine Artgenossen auf der Erde.
Das Monstrum warf seinen massigen Körper an Land, stülpte sein Maul über das viel kleinere Raumschiff und verschwand damit wieder im Wasser.
»NEIN!«, brüllte der Captain. »NEIN! Das darf nicht wahr sein. Bitte sag, dass das nicht wahr ist.«
Er sank zu Boden, nahm den Helm vom Kopf und schleuderte ihn von sich.
»Ich kann doch nicht für immer in dieser grünen Brokkolihölle bleiben. Das überlebe ich nicht.«
Und doch blieb ihm tatsächlich nichts anderes übrig. Der Wal tauchte nie wieder auf. Das Raumschiff blieb verschwunden.
(c) 2020, Marco Wittler
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