836. Als Bär seinen Freund Igel mitten in der Nacht besuchte

Als Bär seinen Freund Igel mitten in der Nacht besuchte

Bär war ganz schön aufgeregt. Er hatte sich etwas Aufregendes vorgenommen und war sich völlig unsicher, wie es ausgehen würde.
Nun stand er vor dem Spiegel und betrachtete sich von allen Seiten. Er sah perfekt aus.
Bär hatte sich kleine, bunte Elfenflügel auf den Rücken geschnallt, in seiner rechten Pranke hielt er einen Zauberstab mit einem Stern auf der Spitze.
»Schaut perfekt aus.«, lobte er sich selbst. »Selbst meine Mutter würde jetzt an diese alte Geschichte glauben.«
Bär wollte gerade seine Wohnung verlassen, als ihm noch etwas einfiel. Er holte seinen Geldbeutel aus der Schublade im Flur, kramte einen blitzeblanken, silbernen Taler daraus hervor und verstaute ihn in in der Brusttasche seiner blauen Latzhose. Dann ging es auch schon in die Dunkelheit der Nacht hinaus.
»Hoffentlich sieht mich niemand in meinem Kostüm. Das könnte echt peinlich werden.«
Aber Bär hatte Glück. Er war der Einzige, der sich in dieser späten Stunde auf der Straße rumtrieb.
Nur wenige hundert Meter weiter blieb er vor einem Haus stehen. Auf der leuchtenden Türklingel stand ein Name geschrieben: Igel.
Bär nickte, nahm den Schlüssel zum Haus seines besten Freundes und öffnete die Tür.
Bis zum Schlafzimmer war es nicht weit. Einfach durch den Flur, die Treppe hoch, links um die Ecke und dann durch die Tür. Ganz einfach.
»Wie friedlich er schläft.«, war Bär gerührt. »Er träumt bestimmt gerade etwas ganz Tolles.«
Bär beugte sich hinab und schob vorsichtig seine Pranke unter Igels Kopfkissen. Er suchte vor und zurück.
Da!
Gefunden.
Der Zahn, den Igel am Nachmittag verloren hatte.
Bär holte ihn hervor und wollte schon wieder nach Hause aufbrechen, als ihm wieder einfiel, warum er eigentlich gekommen war.
Vorsichtig schob er den Taler seinem Freund unter das Kopfkissen. Dabei wurde Igel wach. Bär fror in seiner Bewegung ein.
Igel gähnte, rieb sich die müden, mit Schlafsand verkrusteten Augen und öffnete seine Lider.
Zuerst wollte er gar nicht glauben, was er da über sich gebeugt sah. Doch dann weitete sich sein Blick.
»Du bist tatsächlich gekommen.«
Er legte seine Hand vorsichtig auf Bärs Brust.
»Meine liebe Zahnfee. Ich wusste immer, dass es dich wirklich gibt, auch wenn mich die anderen immer für verrückt gehalten haben. Ich habe nie aufgehört, an dich zu glauben.«
Bär war völlig gerührt. Er hatte in dieser Nacht seinem besten Freund seinen größten Wunsch erfüllt.
»Danke, dass du an mich glaubst.«, antwortete Bär mit verstellter Stimme.
Dann schlossen sich Igels Augen wieder. Er war mit einem Lächeln eingeschlafen.
Bär war glücklich. Was in dieser Nacht geschehen war, drückte aus, wie wichtig Freundschaften waren.
Er schlich sich zurück nach Hause, legte Zauberstab und Elfenflügel ab und legte sich in sein Bett.

(c) 2020, Marco Wittler

Bild: OpenClipart-Vectors bei Pixabay

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