849. Ich fasste den Störenfried (Mann und Manni 08)

Ich fasste den Störenfried

Es war mitten in der Nacht, als mich ein Geräusch weckte. Das allein war schon ziemlich ungewöhnlich, denn ich hatte schon mein ganzes Leben lang einen verdammt tiefen Schlaf. Es gab eigentlich nur eine einzige Sache, die mich daraus hervor holen konnte: Der Klang der Futterschüsseln am frühen Morgen.
Du fragst dich gerade, warum sich jemand über eine gefüllte Futterschüssel freuen kann? Nun, die Erklärung dafür ist ganz einfach. Mein Name ist Manni und ich bin ein Kater. Manch einer meiner Mitbewohner, von denen es hier in der Wohnung eine ganze Reihe gibt, würde behaupten, dass ich eine gewisse Körperfülle habe. Deswegen nennen sie mich auch hinter vorgehaltener Pfote Manni Dicktier. Aber so dick bin ich gar nicht. Ich habe nur sehr viel Fell am Körper.
Aber kommen wir nun zurück zu dem Geräusch, dass mich in der letzten Nacht geweckt hatte. Ich stand von meinem Platz auf dem Kratzbaum auf, streckte meinen Rücken durch und kletterte langsam zu Boden.
Das nervige Geräusch drang immer wieder in regelmäßigen Abständen an mein Ohr. Es klang wie … keine Ahnung. Ich suchte in meinem Gedächtnis, konnte es aber nicht finden.
Also ging ich zu dem alten Pappkarton, der zwischen Schrank und Fernseher gequetscht stand und ein weiteres Fellknäuel beherbergte. Der Bengale, ein Kater mit dem Aussehen einer wilden Wildkatze und dem Mut einer kleinen Fliege, lag dort und schlief. Mit einem kräftigen Schlag meiner Pfote, weckte ich ihn auf. Vor Schreck sprang er einen ganzen Meter in die Höhe und klammerte sich ängstlich an der Tapete fest.
»Mach nicht so einen Aufstand.«, zischte ich ihn an. »Schau lieber draußen nach, was das für ein Geräusch ist, dass dich geweckt hat.«
Der Begale kam langsam wieder nach unten, horchte aufmerksam und schüttelte den Kopf. Er kroch ganz tief unter seine Decke und begann zu zittern.
Ich konnte es nicht fassen. Dieser Hasenfuß vergaß völlig seine tapferen Vorfahren.
Ich machte mich auf den Weg zu einer anderen helfenden Pfote und fand sie grunzend auf dem Sofa. Lord Schweinenase, mein nicht ganz so intelligenter Zwillingsbruder, lag lang ausgestreckt auf dem Polster. Seinen sonst üblicherweise verschmutzten Riechkolben hatte er im Schlaf an einem der Kissen abgewischt.
»Los, wach auf.«, herrschte ich ihn an. »Mach dich mal nützlich.«
Er drehte sich zu mir um, blinzelte mich kurz an, warf mir ein fragendes ‚Hä‘ zu und schlief wieder ein. Dieser Verräter. Auf den konnte man sich einfach nie verlassen. Blieb also nur noch eine allerletzte Chance.
In diesem Moment erwischte mich ein kräftiger Schlag von hinten an meinem wertvollen Gesäß. Ich konnte spüren, wie sich langsam ein paar Krallen in meine Haut bohrten und es immer schmerzhafter wurde.
Ich sah über meine Schulter. Es war die kleine, ständig völlig überdrehte Mini-Mietze. Sie war die perfekte Katze für den anstehenden Auftrag. Ich erklärte ihr, was sie zu machen hatte. Doch statt nach unten auf die Straße zu gehen, schüttelte sie ihren Kopf. Sie hob eine ihrer Pfoten, zeigte zuerst auf mich, dann auf die Tür. Dann fuhren wieder ihre Krallen aus.
Ich seufzte. Jetzt hatte ich tatsächlich verloren. Also machte ich mich nun selbst auf dem Weg nach unten. Je mehr Stufen der Treppe ich hinter mich brachte, umso mehr wurde mir bewusst, dass es absolut Sinn machte, selbst nach dem Rechten zu sehen. Nur ein Manni konnte einer seltsamen Spur, einem nervigen Geräusch auf die Spur kommen.
Ich verließ also das Haus, trat auf den Gehweg und sah mich um. Trotz der späten Stunde hatte sich auf der Straße ein Stau gebildet, dessen Ende so weit entfernt war, dass ich es nicht sehen konnte.
Gut, das konnte natürlich auch daran liegen, dass der Stau nach wenigen Metern in einer Kurve verschwand.
Vor dem ersten Fahrzeug, ich konnte es gar nicht glauben, saß ein Tier, das sich nicht vertreiben lassen wollte. Es war, ich wollte meinen Augen nicht trauen, eine Katze. Sie war etwas größer, aber vielleicht hatte sie auch nur ein dickeres Fell. Doch dann sah ich, wie sie sich mit ihren Pfoten die Pinsel an ihren Ohren putzte. Es war ein Luchs.
»Hey, du Wilder.«, rief ich. »Auch Touristen aus dem Wald haben sich an die Straßenverkehrsordnung zu halten. Verschwinde gefälligst von der Straße. Ich will endlich schlafen.«
Der Luchs sah mich kurz an und setzte dann seine Katzenwäsche fort. Er ließ sich noch mehrere Minuten lang Zeit, bis er den Asphalt wieder freigab und mit grimmigem Gesicht auf mich zu kam. Nur wenige Zentimeter vor mir blieb er stehen.
Wir sahen uns an, es schien Stunden zu dauern. Dann setzte er seinen Weg fort, ging langsam an mir vorbei und gab mir zum Abschied einen kräftigen Schlag mit seiner Pfote auf den Hintern. Die langen Krallen spürte ich äußerst schmerzhaft.
Ich war extrem sauer. Warum hatten es bloß alle auf mein armes Hinterteil abgesehen.
Müde ging ich zurück und legte mich auf meinen Schlafplatz. In den Schlaf zu finden, war trotz der Ruhe alles andere als einfach. Ich konnte nicht mehr auf meinem Hintern liegen.

(c) 2020, Marco Wittler

Bild: Graphicmama-team bei Pixabay

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