919. Tödlicher Angriff auf dem Parkplatz

Tödlicher Angriff auf dem Parkplatz

Es war schon spät, als ich endlich raus kam. Die Arbeit war stressig gewesen, ich entsprechend müde und ausgelaugt.
Ich schleppte mich über den großen Parkplatz zur letzten Reihe, wo ich am Morgen meinen Wagen geparkt hatte. Wie üblich an solchen Tagen, war ich wieder mal der Letzte, der nach Hause wollte. Ich war also allein.
Um mich herum war es bereits dunkel geworden. Das war so ziemlich das Schlimmste an dieser Jahreszeit. Morgens vor Sonnenaufgang zur Arbeit, abends im Dunkeln wieder zurück. Tageslicht sah ich dann nur durch das Fenster meines Büros und an den Wochenenden.
Kurz bevor ich meinen Wagen erreicht hatte, fegte ein Schatten über mich hinweg und verschwand.
Ich drehte mich um, sah in alle Richtungen und bekam ein mulmiges Gefühl. Ich konnte allerdings nichts entdecken.
Ich schüttelte den Kopf, setzte meinen Weg fort, als wieder ein Schatten kurz zu sehen war.
Schnell versuchte ich einen Blick darauf zu erhaschen, schaffte es aber erneut nicht.
Was war das nur? Machte da etwas Jagd auf mich? Mir fiel das Kalenderblatt ein, welches ich am Morgen gesehen hatte. Es war der 26. Oktober. Es blieben nur noch wenige Tage bis Halloween.
Eigentlich glaubte ich nicht an Geister und Gespenster. Trotzdem wollte ich deren Existenz nicht ganz ausschließen. Was sonst sollte über mich hinweg fegen und wieder verschwinden?
Etwas griff mich an. Ich schrie. Panik ergriff mich. Ich ging zu Boden, wehrte mich mit Händen und Füßen. Der dunkle Schatten saß auf mir, kreischte laut, grub seine scharfen Krallen in meinen Leib und stach immer wieder mit einer spitzen Waffe auf mich ein.
In diesem Moment wusste ich es ganz genau: mein letztes Stündlein hatte geschlagen. Aus dieser Situation sollte ich nicht mehr lebend heraus kommen.
In meiner Verzweiflung versuchte ich, meinen Gegner zu packen. Ich erwischte etwas, schlug die Augen auf, die ich die letzten Sekunden schützend geschlossen gehalten hatte und sah eine große, schwarze Krähe auf mir sitzen, die immer wieder mit ihrem kräftigen Schnabel auf mich einhackte.
»Verdammt!«, brüllte ich sie an. »Was soll das?«
Ich warf sie zur Seite, sprang auf und rannte los. Der Vogel war aber schneller. Er krallte sich auf meinen Schultern fest, hackte wieder nach mir.
Ehe ich mir einen Gedanken darüber machen konnte, warum mich dieses Mistvieh angriff, schnappte es sich meine Brille, flog davon und landete in seinem Nest auf dem Dach meines Arbeitsplatzes.
Krass. Ich hatte gerade noch um mein Leben gekämpft und musste nun feststellen, dass die Krähe es lediglich auf das glitzernde Metallgestell meiner Brille abgesehen hatte. Dass diese Vögel gern mal glänzende Gegenstände stahlen, hatte ich schon gehört, war aber bis zum heutigen Abend niemals damit konfrontiert worden.
Ich nahm mir vor, in Zukunft nur noch Gestelle aus Kunststoff zu tragen.

(c) 2020, Marco Wittler

Bild: OpenClipart-Vectors auf Pixabay.com

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