946. Das Findelkind am Weihnachtsabend

Das Findelkind am Weihnachtsabend

Santa Claus war vor wenigen Stunden aufgebrochen, um die Kinder dieser Welt mit kleinen und großen Geschenken zu beglücken.
Er saß in seinem großen Schlitten, hatte einen riesigen, roten Sack hinter sich stehen, in dem sich alles befand, was er in dieser Nacht brauchte. Die Rentiere, die der angespannt hatte, zogen mit aller Kraft.
»Weiter! Immer weiter!«, rief Santa zur Motivation und stemmte sich gegen den gerade aufgezogenen Schneesturm, der ihm die Sicht nahm. Nur die rote Nase Rudolphs half ihm, in der Dunkelheit und durch die vielen Schneeflocken den richtigen Weg zu finden.
»Haltet durch meine Freunde. Wir schaffen das. Wir haben es jedes Jahr geschafft.«
Sie erreichten die nächste Stadt. Zwischen den Gebäuden war der Sturm nicht mehr so stark. Die Flocken fielen langsamer und die Sicht wurde wieder besser.
Der Schlitten landete außerplanmäßig auf der Straße. Santa stieg vom Schlitten und klopfte sich den vielen Schnee vom Mantel.
»In Ordnung. Wir können den Flug fortsetzen.«
Doch dann hörte er etwas, das er beinahe nicht bemerkt hätte. Vom Ende der Seitenstraße, in der er stand, war ein leises Wimmern zu hören. Er warf einen Blick auf die Uhr. Er war schon viel zu spät dran. Trotzdem stieg er nicht wieder in den Schlitten.
»Wartet mal. Da ist etwas. Das muss ich mir genauer anschauen.«
Mit festem Schritt stapfte er durch den tiefen Schnee auf zwei Mülltonnen zu.
»Ist das wer? Los, zeig dich!«
Vorsichtig zog er die Mülltonnen zur Seite und entdeckte einen kleinen, vor Kälte zitternden Kater, der nur ein paar Wochen alt sein konnte. Er sah aus, als würde er diese Nacht nicht überleben.
»Du meine Güte! Was machst du denn hier? Für so eine kleine Mietze ist es doch viel zu kalt hier draußen. Du wirst dir noch den Tod holen.«
Schnell griff er sich das frierende Fellbündel und steckte es vorsichtig in seine große Manteltasche.
»Da drin kannst du dich erstmal aufwärmen.«
Er ging zurück zum Schlitten und stieg auf.
»Wir haben einen Mitreisenden. Fliegt bitte vorsichtig.«, bat er seine Rentiere.
»Bringen wir das Kätzchen zum Tierarzt?«, wollte Rudolph wissen. »Wir haben keine Zeit und können uns nicht um Tierbabys kümmern.«
Sofort lief Santas Gesicht rot an.
»Vergiss es! Ich habe den kleinen Kerl gefunden. Ich bin jetzt für ihn verantwortlich. Er bleibt in meiner Manteltasche. Darüber wird nicht weiter diskutiert.«
Die Rentiere zogen an, der Schlitten hob ab und machte sich wieder auf den Weg. Jedes Mal, wenn Santa wieder aus einem Kamin hervor geklettert kam, warf er sofort einen Blick in seine Tasche und überzeugte sich davon, dass sein neuer Freund in Ordnung war.
Dem kleinen Kater ging es mittlerweile auch wieder besser. Er hatte aufgehört zu zittern, hatte sich gemütlich eingerollt und schlief tief und fest.
»Du bleibst ab jetzt bei mir. Ich werde dich Snowflake nennen.«

(c) 2020, Marco Wittler


Image by Jozef Mikulcik from Pixabay

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