949. Das verunglückte Lebkuchenhaus

Das verunglückte Lebkuchenhaus

Mama stand in der Küche vor dem Tisch und blickte stolz auf ihr neuestes Werk. Für die Adventszeit hatte sie aus Lebkuchenstücken und Zuckerguss ein Haus gebaut und dieses mit allerlei Zuckerwerk verziert.
»Ist das schön.«, war sie selbst begeistert. »Die Kinder werden es lieben.«
Doch dann begann ihr süßes Kunstwerk zu zittern. Der ganze Bau bebte, als würde ein riesiger Dinosaurier daran vorbei laufen.
Schon bröckelten Teile des Zuckergusses ab, Bonbons und Schokoladenstücke fielen zu Boden.
»Oh nein!«, rief Mama, wollte das Lebkuchenhaus retten, wusste aber nicht, wo sie es gefahrlos anfassen konnte.
»Nein, nein, nein!«
Das Haus stürzte in sich zusammen, übrig blieb eine unansehliche Ruine, die einer alten Burg auf einem Hügel in Nichts nachstand.
»Verdammt! Die ganze Arbeit war umsonst.«
Mama seufzte, warf ein Küchentuch gegen die Decke und verließ die Küche.
»Ich hab keine Lust mehr. Ich fange Morgen früh noch mal von vorne an.«

Einige Zeit später, es war zur Geisterstunde, tat sich etwas in der Küche. Draußen vor dem Fenster zogen dichte Nebel auf, waberten eine Weile unkontrolliert und zerteilten sich in kleine Stücke.
Die Nebel verfestigten sich, nahmen Form an. Kleine, vor Freude grinsende Geister entstanden und schwebten durch das Fenster in die Küche, als würde das Glas in ihm nicht existieren.
»Endlich!«, wisperten sie sich leise zu. »Wir haben eine unbewohnte Ruine zum leben und spuken gefunden.«
Sie ließen sich langsam auf das zerfallene Lebkuchenhaus nieder und verschwanden in ihm.

(c) 2020, Marco Wittler

Die Idee zur Geschichte stammt von der lieben kunstgedicht auf Twitter, deren Lebkuchenhaus tatsächlich zur Ruine wurde.
Danke dafür.

Bild: angelsover auf Pixabay

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