520. Panik

Panik

Pastor Meier lief es kalt den Rücken hinunter. Er hatte nicht damit gerechnet, dass ausgerechnet er, ein Mann der Kirche, vor der Dunkelheit der Nacht Angst bekommen würde. Doch nun war es doch so weit gekommen.
Mit jeden Schritt, den er tat, mit jedem Atemzug, der seine Lungen mit Luft füllte, kroch die Panik tiefer in ihn hinein.
Ständig hörte er Schritte. Ständig drangen seltsame Geräusche an sein Ohr, die nicht von dieser Welt zu kommen schienen. Doch sobald er sich umsah wurde es wieder mucksmäuschenstill und nichts und niemand war meilenweit zu sehen.
»Das geht nicht mit rechten Dingen zu.« murmelte er mit zittriger Stimme zu sich selbst. Dann fasste er sich durch den Stoff seiner Jacke an das große Kreuz, dass um seinen Hals baumelte und schickte ein schnelles Stoßgebet zum Himmel. Nur wenige Augenblicke später ging er noch einen Schritt schneller die Straße entlang.
Und dann sah er etwas. Irgendwo neben ihm. Im Augenwinkel. Irgendwer – irgendwas. Und doch – da war wieder nichts.
»Ich muss nach Hause. So schnell es geht.« Pastor Meier begann zu rennen. Erste dicke Schweißtropfen liefen ihm zu beiden Seiten des Gesichts herab und verschwanden hinter seinem Hemdskragen.
»Ich bin Pastor.« rief er verstört in die Nacht. »Ich bin ein Mann der Kirche. Ich stehe unter dem Schutz des Kreuzes. Jesus Christus ist mein Herr und wird mich beschützen. Nichts und niemand kann mir ein Leid zufügen. Keine Monster, keine Dämonen oder andere schaurige Kreaturen der Unterwelt können mir schaden.«
Er wusste nicht, ob ihm das jemand glauben würde. Er wusste auch nicht, ob es wirklich stimmte. Aber es war die einzige Möglichkeit, sich irgendwie Mut zu machen.
Nur noch eine Kreuzung und dann ein paar hundert Meter. Die musste er einfach schaffen.
Schon spürte der Pastor einen starken Schmerz in der Brust und verfluchte sich dafür, nie Sport zu treiben. Nun würde sich diese Sünde an seinem Körper vielleicht bitter rächen.
»Durchhalten! Ich muss nur noch ein paar Minuten durchhalten.« keuchte er.
Pastor Meier holte das Letzte aus seinen schmerzenden Beinen heraus. Er rannte um sein Leben. Er klammerte sich an den letzten Strohhalm, den er noch für sich sah. Er zog den Haustürschlüssel aus seiner Jackentasche. Mit einem gewagten Sprung, der aus den wenigen verbliebenen Kraftreserven geboren wurde, nahm er die fünf Stufen seines Hauses, steckte den Schlüssel ins Schloss stürmte einen Augenblick später in den rettenden Flur und ließ sich erschöpft zu Boden fallen. Fast hätte er noch vergessen, die Tür hinter sich wieder zu schließen. Mit einem müden Fußtritt erledigte er auch dies.
Und dann waren sie da. Pastor Meier konnte sie hören. Die Monster der Nacht hatten ihn eingeholt und standen nun auf der Treppe. Er konnte sie atmen und leise murmeln hören. Sie würden ihn nicht entkommen lassen. Sie würden warten.
»Was hab ich euch getan? Ich bin nur ein kleiner Dorfpastor. Sucht euch doch ein anderes Opfer.«
Doch die Monster lachten nur, bevor sie die magischen Worte sprachen, die jede Tür in dieser Nacht öffnen konnten.
»Süßes oder Saures!« riefen sie gleichzeitig aus unzähligen Kehlen.
Der Pastor seufzte und stand auf. »Ist ja schon gut. Ich komme schon.«
Er griff nach der mit Süßigkeiten gefüllten Schale, die auf einem Tischchen stand und öffnete. Er grinste die Kinder an, die schon sehnsüchtig warteten.
»Tolle Kostüme habt ihr dieses Jahr an.« lobte er.
Die Kinder bedankten sich jedes mit einem breiten Grinsen.
»Und denkt dran:«, sprach der Pastor weiter.
»Wissen wir!« antworteten die Kinder. »Heute ist auch Reformationstag. Der Tag an dem Martin Luther die Kirche verändert hat.«
Meier nickte zufrieden.
»Dann wünsch ich euch noch viel Spaß und ganz viel Süßes.«
Er schloss die Tür hinter sich und lächelte.

(c) 2015, Marco Wittler

Special: Alle Halloween Geschichten im Überblick

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Mit diesem Beitrag beteilige ich mich an einer „Halloween“ Blogparade, bei der jeden Tag ein anderer Blogger einen Beitrag zum Thema schreibt. Vielleicht habt ihr ja auch Lust, mal bei den anderen reinzuschnuppern.

Am Montag hat Natascha schon begonnen und ganz viele Bastelideen für eure Halloween Party entworfen.

Mo – 26.10. – Natascha – http://nataschas-kreativwelt.blogspot.de/
Di – 27.10. – Marco- http://366geschichten.de/
Mi – 28.10. – Jenny – http://jennybeautyandmore.blogspot.de/
Do – 29.10. – Michelle – http://everylittlethinggonnabebeautiful.blogspot.de/
Fr – 30.10. – Geri Amazon – http://geri-diaries.blogspot.de/
Sa – 31.10. – Michelle – http://www.beautifulfairy.de/

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