003. Der kleine Drache Dimitri

Der kleine Drache Dimitri

Es war einmal vor langer Zeit im Land der Vulkane. Dort lebte der kleine Drache Dimitri.
Eines Tages ging Dimitri durch ein kleines Vulkanfeld. Er war vorher noch nie dort gewesen, denn es befand sich an der Grenze zum Land der Menschen. Er freute sich, weil es warm war und überall nach Schwefel roch, so wie er es liebte. Als er an einem kleinen See ankam wunderte er sich sehr, denn er hatte noch nie zuvor Wasser gesehen, denn normalerweise ist es im Land der Vulkane so heiß, dass alles Wasser sofort verdunstet. Er kam dem See vorsichtig näher und blickte hinein. Auf der Wasseroberfläche konnte er sich selbst sehen und dachte erst, dort würde ein großer Spiegel auf dem Boden liegen, aber das konnte nicht sein, denn die Oberfläche bewegte sich.
Plötzlich hörte er ein Geräusch. Jemand kam näher. Da Dimitri nicht wusste was er jetzt machen sollte, versteckte er sich hinter einem Felsen. Es waren Schritte zu hören, und sie kamen eindeutig auf ihn zu.
Aber was war das? Da kam ein sehr ungewöhnlicher Drache auf ihn zu. Er sah noch nicht mal wie ein richtiger Drache aus. Er hatte zwar auch vier Beine wie Dimitri, aber er lief aufrecht. Seine Haut war rosa, und auf dem Kopf wuchsen jede Menge schwarze Pflanzen. Nein, das konnte kein Drache sein – aber was war es dann? Der kleine Drache wurde neugierig und beobachtete weiter.
Das Wesen machte am See Halt. Es setzte sich direkt ans Ufer und ließ seine Hand in das Wasser gleiten. Bis zum Rand gefüllt nahm es sie wieder hoch und trank daraus.
»Oh, das kann man trinken. Ob das durchsichtige Lava ist?«, murmelte Dimitri.
Das Wesen hatte nun genug getrunken, denn es stand auf und setzte seinen Weg fort. Nun ging Dimitri langsam und vorsichtig auf den See zu. Seine Neugierde wurde mit jedem Schritt größer. Er bückte sich. Vorsichtig berührte er das Wasser.
»Brrr. Das ist kalt. Wie kann man das nur trinken. Unsere Lava ist viel heißer.«
Es fuhr ihm kalt den Rücken herunter. Das war ein seltsames Gefühl, welches er noch nie erlebt hatte. Dimitri beugte sich weit hinunter und trank einen Schluck. Dieses Mal spürte er nichts, aber dafür kam ein weißes Rauchwölkchen aus seinem Mund.
»Oh, das ist aber lustig. Das ist mir noch nie passiert.«
Es machte ihm Spaß dem Wölkchen hinterher zu sehen. Aber weil es so klein war, verschwand es sehr schnell. Deswegen nahm er einen weiteren Schluck, diesmal einen viel größeren. Er konnte es beim Trinken zischen hören. Schon kam auch eine neue, größere Wolke hervor. Ihr konnte man lange hinterher sehen.
Doch dann wurde es Zeit für den Heimweg.
Am nächsten Morgen wollte Dimitri das Licht anmachen. Er holte tief Luft und spukte sein Drachenfeuer auf eine Kerze. Aber, oh Schreck, wo war sein Feuer geblieben? Es kam nur ein kleines weißes Wölkchen aus seinem Mund.
Was war denn nur passiert? Ohne Drachenfeuer war er doch kein richtiger Drache mehr. Alle Kinder im Kindergarten würden ihn bestimmt auslachen. Dimitri rannte sofort durch das dunkle Zimmer, lief dabei gegen einen Stuhl und einen Tisch. Schließlich fand er endlich die Tür. Er öffnete sie und lief in die Küche.
Tränen rannen aus seinen Augen. Es dauerte ein paar Minuten, bis das Schluchzen verschwand und er wieder reden konnte. Seine Mutter ihn in den Arm, streichelte über seine Wange und tröstete ihn. Da sie aber auch keinen Rat wusste, brachte sie ihn zum Drachendoktor.
Der Doktor sah seinem kleinen Patienten tief in den Mund und suchte nach dem Problem, doch konnte er dort nichts finden. Genau das war das Problem. Denn ganz tief im Bauch eines Drachen brennt sein Feuer. Es leuchtet so hell, dass man es immer sehen kann, wenn man tief in den Rachen schaut. Doch bei Dimitri brannte nichts.
»Dein Drachenfeuer ist erloschen.«, sagte der Doktor.
»Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie das passieren konnte. Das Feuer erlischt nur, wenn ein Drache eine sehr seltene und schwere Krankheit hat, aber du bist kerngesund. Weil das so selten passiert, haben wir hier auch keine Möglichkeit es zu heilen. Ich kenne nur ein Mittel um es wieder zu entzünden. Besorgen lässt es sich nicht. Du musst eine weite Reise nach Feuerland antreten.«
Dimitri war noch nie verreist, schon gar nicht weg vom Land der Vulkane. Er bekam große Augen und noch größere Ohren, als er den Doktor von der Reise erzählen hörte.
Zu Hause packte er dann mit seiner Mutter die Reisetasche.
Am nächsten Morgen war es dann soweit. Dimitri stand vor der Haustür und verabschiedete sich von seiner Mutter. Nach Feuerland musste er ohne sie reisen.
Auch wenn der kleine Drache noch zum Kindergarten ging, durfte er allein reisen, denn Kindergartendrachen sind schon viel älter als Kindergartenkinder.
Dimitri sagte seiner Mutter Lebewohl und machte sich auf den Weg. Er wusste, dass er bald das Land der Menschen erreichen würde. Das machte ihn neugierig, denn er hatte nie zuvor einen Menschen gesehen.
Doch dann sah er sie viel schneller als er es sich gedacht hatte, denn die nächste Stadt war nicht weit entfernt. Als er die Straßen betrat begegneten ihm sehr viele Menschen. Er hatte nicht gewusst, dass es überhaupt so viele von ihnen gab. Dimitri war sehr erstaunt, denn nun wusste er, dass er am See einen von ihnen beobachtet hatte.
Der kleine Drache ging auf eine kleine Gruppe zu und fragte nach dem Weg zum Hafen.
Dort musste der kleine Drache staunen, denn am Meer war so viel Wasser wie er sich nicht hätte vorstellen können.
Er ging direkt zum ersten Schiff und fragte den Kapitän, ob er ihn nach Feuerland mitnehmen könne. Doch dieser sah Dimitri nur sehr misstrauisch an.
»Einen Drachen lasse ich nicht an Bord. Sonst brennt mir nachher die ganze Ladung ab und dazu mein schönes Schiff. Da wirst du dir einen anderen Dummen suchen müssen.«
Der kleine Drache konnte ihm nicht einmal erklären, dass sein Feuer nicht mehr brannte. Der Kapitän verschwand einfach im Innern seines Schiffes.
Die gleichen Antworten bekam er bei jedem weiteren Schiff. Dimitri setzte sich auf eine kleine Bank und blickte hinaus auf das weite Meer. Er dachte an seine Mutter und wünschte sich, nicht allein gegangen zu sein.
Der kleine Drache ahnte nicht, dass ihm seine Mutter den ganzen Weg gefolgt war. Denn eine Drachenmutter half ihrem Kind, wo sie nur konnte.
Sie ging ebenfalls am Hafen entlang und suchte für den kleinen Drachen das richtige Schiff aus. Und es dauerte nicht lange, da fand sie eins. Es war kleiner als alle anderen, auch war es nicht aus schönem Holz. Es war ein kleines Schiff aus rostigem Eisen und hieß „
Bunte Kuh‹. Der Kapitän empfing die Drachenmutter sehr freundlich und schon bald wurden sie sich einig. Er nahm sie an Bord. Die Drachenmutter versteckte sich im Laderaum, während der Seemann zu Dimitri hinüber ging. Er fragte den kleinen Drachen, warum er so traurig war. Also erzählte der kleine Drache von seinem Problem.
»Weißt du was? Mein Kahn ist zwar einer der Schäbigsten hier, denn er hat nicht mal halb soviel Glanz wie die anderen hier. Auch ist er nicht so groß und schnell, aber ich nehme dich gerne mit, denn so wie es der Zufall will, habe ich in meinem Laderaum eine ganz wichtige Fracht für Feuerland. Du musst mir nur verspreche, nie dort hinein zu gehen, weil sie sonst beschädigt werden könnte.«
Dimitri versprach es und ging an Bord.
Es war ein lange Fahrt nach Feuerland, und so manchen Sturm musste der kleine Drache über sich ergehen lassen. Er lernte während der langen Fahrt, wie man segelt, Knoten knotet und sich vorsichtig an Deck bewegt, ohne ins Wasser zu fallen.
Dann kam endlich der lang ersehnte Tag und Feuerland war am Horizont zu sehen. Jetzt wurde der kleine Drache ganz aufgeregt und konnte es kaum noch erwarten, ans Ufer zu kommen.
Der Kapitän legte am Hafen an und Dimitri sprang sofort an Land. Er machte sich auf die Suche nach seinem Feuer.
Seine Mutter schlich ihm nach und half, wo sie konnte.
Dimitri fragte jeden Drachen, dem er begegnete, wo er sein Feuer wieder anzünden könnte, aber alle lachten ihn aus. Ein Drache, der sein Feuer gelöscht hatte, das gäbe es doch gar nicht.
Traurig ging er zum Strand zurück, setzte sich auf einen großen Stein und weinte. Da trat jemand hinter ihn. »Hallo, kleiner Drachenjunge, warum weinst du?«
Die Stimme kam ihm sehr bekannt. Und sie gehörte der Person, die er so sehr vermisste. Dimitri drehte sich sofort um und sah in die großen Augen seiner Mutter. Sofort rannen ganz viele Freudentränen über die Wangen des kleinen Drachen. Er wollte ihr sagen, wie lieb er sie hatte, aber statt seiner Worte kam eine große Flamme aus seinem Mund. Das Drachenfeuer war wieder da.
Seine Mutter erklärte ihm, warum sein Feuer wieder brannte.
»Ich bin die ganze Zeit bei dir geblieben, mein geliebter Dimitri. Ich habe aufgepasst, dass dir nichts passiert. Ich wusste, wenn du vor Freude weinst, entflammt dein Feuer wieder. Das hat mir der Doktor gesagt, bevor wir nach Haue gingen. Dein Feuer hätte auch zu Hause wieder brennen können. Aber dort hättest du mich nicht so sehr vermisst wie hier. Deswegen hat er dich auf diese lange Reise geschickt.«
Überglücklich umarmte Dimitri seine Mutter und drückte sie fest an sich.
Dann gingen sie zusammen zurück zum Hafen und an Bord des kleinen Schiffes. Sie fuhren wieder nach Hause ins Land der Vulkane und waren glücklich, dass alles ein gutes Ende gefunden hatte.

(c) 2000, Marco Wittler

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