1081. Die letzte Runde ging an uns (Mann und Manni 38)

Die letzte Runde ging an uns

Es war tief in der Nacht. Ich lag laut schnarchend auf dem kratzigen Handtuch in meinem Pappkarton und streckte alle Viere weit von mir.
Du fragst dich, warum jemand allen Ernstes in einem Pappkarton schläft, während jeder normale Mensch in einem Bett nächtigt? Nun, das lag wohl daran, dass ich kein Mensch war, sondern ein waschechter Kater. Als solcher liebte ich meine Pappkartons heiß und innig und verteidigte sie gegen jede andere Katze. Gestatten: ich bin Manni.
Ich lag also, wie ich bereits erwähnte, in meinem Pappkarton, träumte von überquellenden Futternäpfen und sabberte dabei meinen Schlafplatz voll, als ich ein Geräusch vernahm.
Sofort schreckte ich hoch und war hellwach. Ich ließ meinen scharfen Blick durch das dunkle Wohnzimmer schweifen, konnte aber nichts Auffälliges entdecken.
Ich seufzte leise, streckte meinen Rücken einmal durch und stand von meinem Platz auf. Mit einem leider unüberhörbaren Geräusch sprang ich vom Schrank, auf dem sich mein Karton befand, auf den Boden. Die Kritiker und meinen Mitbewohnern hätten wohl von einem Erdbeben der Stärke 6, auf der nach oben offenen Richterskala gesprochen, aber das hatte noch niemand beweisen können.
Todesmutig, anders ließ sich mein Verhalten in dieser Situation nicht ausdrücken, machte ich mich auf einen Rundgang durch das Wohnzimmer. Während meine Gefährten für besonders schwierige Fälle und Ermittlungen noch immer tief schliefen, setzte ich wieder einmal mein Leben aufs Spiel.
Zimmer für Zimmer ging ich ab, blickte in jeden Schrank, unter jedes Bett und in jede Schublade. Dabei genehmigte ich mir ein paar Leckerlis, weil sie gerade so präsent vor mir auftauchten. Selbst im Kühlschrank konnte ich nur zwei verdächtig aussehende Mettwürste entdecken, die ich fachkatzisch zur Strecke brachte und vernichtete. Aber sonst war seltsamerweise alles ruhig.
Gut gestärkt kletterte ich an der Heizung hoch, auf der es sich mein schnarchender Bruder, Lord Schweinenase gemütlich gemacht hatte. Ihm hing ein langer Sabberfaden auf seinem Maul, ein typisches Bild von ihm. Vorsichtig stieg ich über ihn hinweg und erreichte das Fenster, durch das ich einen suchenden Blick warf. Mit meinen messerscharfen Augen konnte ich selbst in dieser völligen Dunkelheit alles genau erkennen.
Da war der Baum, der mitten auf der Wiese stand, der Zaun an den Grundstücksrändern, das Gemüse- und das Kräuterbeet. Alles, wie es sein sollte. Auch der schwarze Schatten, der von der Terrasse Richtung Wiese schlich.
Moment! Was machte der Schatten dort unten? Der gehörte dort definitiv nicht hin. Vor allem sollte er sich auch nicht durch mein Revier bewegen. Wir hatten es mit einem fremden Eindringling zu tun, der hier sein Unwesen trieb.
Sofort streckte ich mein rechtes Hinterbein aus und trat Lord Schweinenase in die Seite, der grunzend erwachte und sich den Sabber vom Maul wischte. Dann gab ich der hyperaktiven Mini-Mietze Bescheid, die mit funkelnden Augen unseren Gegner ins Visier nahm und einen Augenblick später bereit zum Angriff war.
Der Einzige, der sich mal wieder nicht blicken ließ, war der Bengale. Dieser Kater war so ängstlich, dass er wohl wieder zitternd unter irgendeinem Bett saß und darauf wartete, dass wir den Fall allein lösten.
Ich entwickelte schnell einen Plan, gab die nötigen Anweisungen und und gab meinem Team das Startkommando. Gemeinsam schlichen wir zur Gartentür, öffneten sie und verließen das Haus. Der Schatten, ein schwarzer Kater, befand sich genau vor uns. Es schien, als hätte er mein Spielzeug gestohlen. Sofort kochte die Wut in mir hoch. Nur zu gern hätte ich mich auf ihn gestürzt. Doch die Mini-Mietze hielt mich zurück. Dann sprang sie lautlos in seine Richtung, fuhr die Krallen aus und landete auf dem Rasen. Der schwarze hatte sich mit unglaublicher Geschwindigkeit davon gemacht, war auf den Baum geklettert und von dort aus über den Zaun gesprungen. Ich ärgerte mich, denn diese Runde ging eindeutig an ihn. Frustriert jagte ich ihm ein lautes Fauchen hinterher.
Wir machten uns auf den Rückweg, als sich ein Fenster über unseren Köpfen öffnete. Es war der Mann, ein weiterer Mitbewohner, der Mensch, der meine rechte Hand war und mir bei meinen Ermittlungen half.
»Was ist da draußen los?«, fragte er mich. »Macht ihr schon wieder Blödsinn?«
Blödsinn? Verdammt. Hatte dieser Typ eigentlich nichts Besseres zu tun, als uns falsche Vorwürfe zu machen? Ich warf ihm einen bösen Blick zu, der alles sagte. Er nickte mir nur zu und schloss das Fenster.
Diesen Moment der Unachtsamkeit nutzte der schwarze Kater aus. Er rannte an uns vorbei, schnappte sich meine Lieblingsplüschmaus, die neben dem Grill stand und machte sich davon. Schon wieder hatte er mich aufs Kreuz gelegt. Selbst die Mini-Mietze, die es gerüchteweise schon mit einem riesigen Rinderbullen aufgenommen hatte, reagierte zu langsam. So konnte es doch nicht weiter gehen. Es stand mittlerweil2 2:0. Einen dritten Erfolg konnte und durfte ich diesem wandelnden Schatten nicht zugestehen.
Ich entwarf einen neuen Plan. Mittels Zeichensprache, die nur mein Team und ich verstanden, teilte ich dich anderen auf. Es war an der Zeit, andere Seiten aufzuziehen.
Wir versteckten uns , legten uns auf die Lauer. In der Dunkelheit warteten wir auf den geheimnisvollen Dieb. Es dauerte nur wenige Minuten, bis er erneut über den Rasen schlich. Dieses Mal näherte er sich meiner Kuscheldecke. Die hatte ich zwar schon länger nicht mehr benutzt, trotzdem gehörte sie mir und niemand anderem. Ich gab das vereinbarte Zeichen. Die Mini-Mietze sprang dem Schwarzen entgegen. Gleichzeitig kam Lord Schweinenase von der anderen Seite und gemeinsam brachten sie ihn zur Strecke. Der geheimnisvolle Kater hatte die dritte Runde verloren und zerbrach in seine Einzelteile.
Moment mal. Einzelteile? Ich war verwirrt. Aber es war tatsächlich so. Unter meinen zwei Gefährten verteilten sich Metall- und Plastikteile. Wir hatten es nicht mit einem Tier zu tun gehabt. Es handelte sich um eine künstliche Konstruktion.
Was soll denn das?«, hörten wir plötzlich eine Stimme von jenseits des Zauns. Ein Jugendlicher sah zu uns herüber und wirkte ziemlich sauer. »Ihr blöden Katzen habt meine Drohne kaputt gemacht.«
Er machte Anstalten, zu uns zu kommen und sich an uns zu rächen. Doch die Mini-Mietze fauchte laut, ließ ihre Krallen ein paar mal über den Schrott fahren und machte klar, dass mit ihr nicht zu spaßen wäre.
»Ist ja schon gut. Nur mal keinen Stress machen. War ja alles nur ein Scherz.«
Der Jugendliche verschwand., während wir die Spuren im Garten beseitigten. Dann ging es zurück in unsere Betten.

(c) 2021, Marco Wittler


Image by Rodman Browning from Pixabay

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