Die Nacht der Geister
Endlich Wochenende. Neele hatte seit einer Woche auf diesen Abend hin gefiebert. Und jetzt standen ihre Freundinnen mit Rucksäcken und Isomatten bewaffnet vor der Tür und grinsten alle von einem Ohr zu anderen. Es war die allererste Pyjamaparty ihres Lebens.
Maja, Maria und Ayla stürmten herein und machten es sich gleich im Kinderzimmer gemütlich. Die Matten wurden ausgerollt und Schlafsäcke ausgepackt, während draußen gerade die Sonne hinter dem Horizont verschwand und es es langsam dunkel wurde.
Die Mädchen saßen mittlerweile in ihren Schlafanzügen und Nachthemden auf dem Boden, aßen bergeweise Knabberzeug und schauten sich einen spannenden Geisterfilm an.
»Sollen wir das auch mal ausprobieren?« Neele sah in die Runde und erblickte jede Menge Fragezeichen in den Augen ihrer Freundinnen. »Wir machen das so, wie die Kinder im Film. Wir beschwören Geister.«
Die Mädchen waren unsicher. Gruselige Filme anschauen war eine Sache, aber die Bekanntschaft mit echten Geistern war etwas ganz anderes.
»Na, los. Wir müssen und nur eine Beschwörungsformel ausdenken. Dann klappt das schon.«
Es dauerte ein paar Minuten, aber schließlich konnte Neele ihre Freundinnen überzeugen. Sie überlegte kurz und holte einen Jugendroman über Zauberlehrlinge aus dem Regal. Sie blätterte ein wenig durch die Seite und tippte irgendwann mit dem Finger hinein.
»Hier ist was.« Sie las ein paar Sätze mit Wörtern einer fremden Sprache vor, die niemand von ihnen verstand und begann irgendwann wieder von vorn. Maja, Maria und Ayla stimmten mit ein. Die Mädchen nahmen sich gegenseitig an die Hände und bildeten einen Kreis.
Plötzlich begann die Deckenlampe zu flackern und und ging nach ein paar Sekunden aus. Die vier Freundinnen erschraken und zuckten zusammen. Stille erfüllte das Kinderzimmer. Die Mädchen hielten alle den Atem an.
In einer Ecke unter der Zimmerdecke wurde ein kleines Licht sichtbar, schwebte in die Mitte des Raums hinein und ließ sich dann langsam zwischen den Mädchen nieder, die sofort zu schreien begannen.
Die Tür wurde aufgerissen. Neeles Bruder kam mit einer Taschenlampe herein. »Alles in Ordnung bei euch? Warum schreit ihr so? Der Strom ist gerade ausgefallen.«
Neele zeigte auf das Licht und sprach von einem Geist. Ihr Bruder kam näher und betrachtete es. »Ihr habt nicht ernsthaft ein Glühwürmchen für einen Geist gehalten. Ihr seid ja ganz schön schreckhaft.«
Vorsichtig nahm er den kleinen Käfer in die Hand und brachte ihn nach draußen.
(c) 2021, Marco Wittler
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