1139. Augen

Augen

Es war tiefe Nacht. Die Straßen der Stadt waren wie leer gefegt. Jeder rechtschaffene Bürger lag um diese Zeit in seinem Bett und schlief tief und fest. Lediglich ein paar Wenige, die sich um die wichtigsten Aufgaben kümmern mussten, waren noch wach.
Aber in dieser gottlosen Zeit trieben sich auch einige zwielichtige Gestalten in den einsamen, schlecht beleuchteten Straßen herum, die nach einer Chance suchten, schnell und unkompliziert an Geld zu kommen. Drei von ihnen verdienten ihr Geld mit Raubzügen.
Sie sahen sich in der Stadt genau um und blieben irgendwann vor einem großen, teuren Gebäude stehen.
»Dort gehen wir rein.« Der Kopf der Bande hatte das Gefühl, dass sie hier reiche Beute machen konnte. Er sah sich um. Alles war ruhig. Er ging ein paar Schritte rückwärts, lehnte sich unauffällig an einen Laternenpfahl und trat kräftig dagegen. Das Licht erlosch sofort. Der Straßenabschnitt wurde dunkel. Nun konnte niemand sehen, was die Verbrecher taten.
Mit wenigen Handgriffen war die Eingangstür aufgebrochen. Auch die Alarmanlage stellte kein größeres Problem dar. Die Polizei sollte nicht mitbekommen, was hier geschah.
»Ihr schaut euch um. Nehmt alles mit, was ihr zu packen bekommt und teuer aussieht.«
Sie verteilten sich im Gebäude. Jeder nahm sich einen anderen Raum vor. Der Kopf der Bande wandte sich nach links und sah sich genau um. Doch im Dunkel der Nacht war nicht viel zu erkennen. Die Benutzung einer Taschenlampe verbot sich. Man hätte sie durch die Fenster auf der Straße sehen können.
Plötzlich erschrak der Dieb. Aus einem Regal blickten in ein paar Augen an. Er rieb sich die Augen, sah noch einmal genauer hin. Da lagen tatsächlich Augen vor ihm. Sie belegten nicht nur eines der Bretter. Das Regal und der ganze Raum war mit tausenden, mit unzähligen Augen angefüllt.
»Verdammt! Was ist das hier?«

Er bekam Angst. Er wollte nicht hier sein, wollte einfach nur weg. Er drehte sich um, rannte zurück in die Eingangshalle, wo er die kreidebleichen Gesichter der anderen Beiden erblickte. Auch sie hatten diesen schrecklichen Anblick ertragen müssen.
»Wir verschwinden hier. Sofort. Ich will nicht, dass meine Augen hier irgendwo ausgestellt werden.«
Schnell ließen sie das Gebäude hinter sich und rannten panisch aus der Stadt, in der sie nie wieder gesehen wurden.
Hätten sie doch nur eine Taschenlampe benutzt. Dann wäre ihnen vielleicht aufgefallen, wo sie eingebrochen waren. Auf einem Schild am Eingang stand in Großbuchstaben das Wort Murmelmuseum geschrieben.

(c) 2021, Marco Wittler


Image by Pete Linforth from Pixabay

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