1169 – Der traurige Pfützenspringer

Der unglückliche Pfützenspringer

Hinter einer zersprungenen Fensterscheibe der alten Burgruine stand ein kleiner Geist und blickte schon seit geraumer Zeit nach draußen. Schon seit Stunden regnete es ununterbrochen aus den dicken Wolken, die am Himmel hingen. Das Wetter dort draußen hatte dem Geist schon immer besonders gut gefallen, denn jeder Regen war anders. Von kleinsten, feinen bis zu riesigen, platschenden -tropfen gab es alles, was sein Herz begehrte. Dabei erinnerte er sich immer wieder gern an die Zeit zurück, bevor ein Geist geworden war. -bei jedem Regen war er vor die Burg gelaufen und hatte versucht, die einzelnen Tropfen mit der Zunge aufzufangen.
»Ich glaube, ich sollte es wieder einmal probieren. Ich habe das schon viel zu lange nicht mehr gemacht. Vielleicht springe ich auch mal wieder mit Anlauf in die Pfützen. Aber nur vielleicht. Wenn niemand zuschaut.«
Er suchte seiner Geistergummistiefel, zog sie über und schwebte durch die das dicke Mauerwerk nach draußen.
»Hui, macht das Spaß!« Der Regen traf den Geist nicht auf den Kopf, sondern durchdrang ihn und fiel weiter zum Boden herab, als hätte es kein Hindernis gegeben.
Hin und her sauste der Geist, jagte den Tropfen entgegen und streckte ihnen immer wieder Zunge raus, bis er sich zu einer besonders großen Pfütze herab ließ. Er nahm Anlauf, flitzte auf das Wasser zu und hüpfte mit einem kräftigen Sprung hinein. Das Wasser spritzte … nicht. Es blieb völlig unberührt.
»Ach, verdammt. Es ist überhaupt nicht toll, ein Geist zu sein. Da hat man überhaupt keinen Spaß mehr. Was soll ich denn jetzt machen? Er wollte sich gerade wieder auf den Weg in die alte Burg machen, als zwei kleine Hunde seinen Weg kreuzten.
»Hallo, kleiner Geist. Warum schaust du so traurig aus?«, fragten sie ihn.
»Ach, ich habe gerade den Spaß am Regen verloren.«, erklärte er. »Geister schwebten halt durch alles durch, können nichts berühren. Also kann ich auch nicht in eine Pfütze springen und das Wasser spritzen lassen.«
Die Hunde blickten sich an, grinsten und nickten sich zu. »Wir haben da eine Idee. Wir werden für dich laufen und auch springen. Du musst nur mit uns Schritt halten. Dann wird es sich für dich anfühlen, als wärst du selbst in die Pfützen gesprungen.«
Der Blick des kleinen Geistes erhellte sich und er sah eine kleine Hoffnung aufkeimen. »Das würdet ihr wirklich für mich machen?«
Die Hunde nickten, nahmen nebeneinander Aufstellung und liefen los. Der Geist folgte ihnen, schwebte dicht über den Hunden hinweg und blieb an ihnen dran. Zu dritt sprangen sie in die Pfütze, dass das Wasser mehrere Meter weit in alle Richtungen davon spritzte.
Der Geist jubelte laut und juchzte. So viel Spaß hatte er schon lange nicht mehr gehabt. Das müssen wir unbedingt bei jedem Regen machen. Seid ihr einverstanden?«
Natürlich waren die Hunde einverstanden, dennauch ihnen hatte das neue Spiel gefallen. So trafen sie sich bei jedem Regenwetter zu dritt an der großen Pfütze.

(c) 2021, Marco Wittler

Die Idee zur Geschichte entstand durch das Bild von @fuchsfamos auf Twitter. Wer es noch nicht macht, sollte ihr folgen, denn sie ist wirklich gut.

https://twitter.com/fuchsfamos/status/1463478065334472708?s=20

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