Das Geheimnis des Vulkans
Vom Wehrgang der alten Burg konnte man einen wunderschönen Sonnenuntergang beobachten. Der Horizont leuchtete in einem kräftigen Orange und verwandelte das Land unter sich in einen märchenhaften Ort. Der Einzige, der sich in diesem Moment von diesem Anblick verzaubern lassen konnte, war Ritter Fridolin von Kieselstein. Alle anderen Wachleute befanden innerhalb der dicken Mauern, die noch kein einziger Feind hatte überfallen und einnehmen können. Und hätte der Ritter nicht schon so oft hier oben gestanden und den Sonnenuntergang, er hätte ihn wohl auf genossen und sich nicht gelangweilt.
Immer wieder drehte sich Fridolin weg und schloss für ein paar Sekunden seinen Helm, damit niemand sehen konnte, wie er mit weit aufgerissenem Mund gähnte. Und das war auch in diesem Moment wieder der Fall.
Kaum hatte er den Helm geschlossen, erzitterte der Boden unter seinen Füßen. Fridolin hatte Gefühl, dass es ihn aus seiner Rüstung werfen könnte. Er musste sich schnell an den Zinnen festhalten, um nicht umzufallen.
»Du meine Güte. Was war denn das?« Er wollte gerade seinen Helm wieder öffnen, um sich umzuschauen, da kamen auch schon die anderen Wachleute und der König auf den Wehrgang gelaufen.
»Der Berg explodiert!«, rief der König in größter Panik. »Er spuckt Feuer, dass uns alle vernichten wird.«
Nun konnte Fridolin endlich sein Visier hochklappen. Tatsächlich fehlte dem Berg die Spitze und es kam eine große Menge Feuer daraus hervor. »Seltsam. Seit wann leben wir am Fuße eines Vulkans.« Das kam ihm komisch vor.
Der König ließ seine Ritter in einer Reihe Aufstellung nehmen. »Ich brauche einen Freiwilligen, der sich dieser Sache annimmt, sein Leben dabei riskiert und das Feuerloch des Vulkans wieder stopft.« Sofort traten alle Ritter bis auf Fridolin einen Schritt zurück. »Prächtig!«, freute sich der König. »Stattet Fridolin mit einem alten Pferd aus, auf das wir im Ernstfall verzichten können und schickt ihn auf den Berg.«
Ritter Fridolin seufzte. So hatte er sich das nicht vorgestellt.
Ein paar Minuten später saß er im Sattel und ritt auf den Berg zu. Er wusste genau, wer dort in einer Höhle lebte und dessen Geheimnis er gut hütete. Aber dieser Jemand konnte eigentlich kein Feuer machen.
Er erreichte den Eingang der Höhle, band das Pferd an einem Baum fest und ging zu Fuß weiter. »Wo steckst du? Wir müssen reden.« Es kam keine Antwort. Also musste der Ritter suchen. Glücklicherweise kannte er den Weg, war er ihn doch schon oft, mal mit mal ohne Begleitung des Bewohners gegangen. Nach ein paar hundert Metern stand er vor einem großen, grünen, schuppigen Tier. Da lag der alte Dinosaurier und schlief tief und fest.
»Wach endlich auf!«, rief Fridolin sauer. Der Dino erschrak und erwachte sofort.
»Wie? Was? Warum bist du hier, kleiner Freund?«
Fridolin zeigte nach oben, wo man nun wegen des fehlenden Berggipfels des Himmel sehen kann. »Neuerdings kommt da oben Feuer raus und auf der Burg hat man Angst vor einem Vulkan. Was hast du getan?«
Der Dino ließ den Kopf hängen. Seine Wangen liefen rot an. »Entschuldige bitte. Ich habe gestern Abend ein ganz besonders scharfes Chili gegessen. Wenn ich einschlafe und zu schnarchen beginne, kommen Flammen aus meinem Maul. Die scheinen wohl die Spitze weggeschmolzen zu haben. Tut mir leid. Kommt nicht wieder vor.«
Fridolin nickte. »Ist schon ok. Trink dir bitte etwas aus dem See. Das sollte das Feuer löschen.«
»Oh, schade.«, war der Dino enttäuscht. »Ich fand es irgendwie lustig, mich wie ein echter Drache zu fühlen.« Er blickte in Fridolins grimmiges Gesicht und schüttelte dann den Kopf. »Ok, so lustig war es dann doch wieder nicht.«
(c) 2022, Marco Wittler
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