Eine stürmische Nacht
Um Mitternacht schlug die alte Schrankuhr auf dem Dachboden der noch viel älteren Burgruine zwölf Mal. Die Geisterstunde hatte begonnen. Nur einen winzigen Augenblick später hätte Leben in das alte Gemäuer kommen können, wenn ihr Bewohner nicht schon längst aus eben jenem geschieden wäre. Ein kleiner Geist kam aus seinem Versteck. Er sah sich schüchtern um, das streckte er sein weißes Bettlaken und alle Richtungen aus und gähnte laut.
»Zeit aufzustehen. Eine wundervolle Nacht wartet auch mich und meine Freunde.« Er überlegte kurz. »Hm, ich bin gespannt, wo wir dieses Mal spucken werden.«
Langsam schwebte er durch die brüchigen Mauern nach draußen und sah sich um. Die anderen Geister waren ebenfalls gerade wach geworden. Manch einer war schon besonders munter und flitzte wild um die kahlen Baumkronen herum, andere rieben sich noch ganz verschlafen ihre müden Äuglein.
»Freunde!«, reif der kleine Geist. »Was wollen wir heute Nacht unternehmen?« Doch ehe er auch nur eine einzige Antwort bekam, packte ihn der Wind und zog ihn ein ganzes Stück mit sich. Ein Sturm zog auf und wirbelte die Geschöpfe der Nacht durcheinander.
»Hm.« Wieder überlegte der Geist und begann zu grinsen. »Wisst ihr was? Ich habe da eine grandiose Idee. Wir fliegen zur alten Mühle.«
Gesagt, getan. Sie flitzen mit dem starken Wind ins Dorf hinab, umkreisten ein, zwei, drei Mal die Mühle und hielten sich schließlich an den vier Flügeln fest. »Hui!«, jubelten sie laut auf, während sie immer und immer wieder im Kreis gewirbelt wurden. »Das ist noch viel schöner als Karussell fahren.«
So verbrachten sie die Nacht mit einem riesigen Spaß.
(c) 2022, Marco Wittler
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