1523. Roselotte Brombeergeist schickt Lichtsignale

Roselotte Brombeergeist gibt Lichtsignale

Die Nacht war über dem dunklen Wald hereingebrochen und Nebelschwaden zogen die schmalen Wanderpfade entlang. Zwischen den dicht stehenden Bäumen, Büschen und Sträuchern war kaum die Hand vor Augen zu sehen. Nur die winzigen Sterne und der Mond schickten ein fahles Licht zur Erde herab, mit dem sie wilde Schatten auf einer kleinen Lichtung erzeugten.
Pünktlich zur Mitternacht öffneten mehrere Dutzend Blumen ihre weiße Blüten, die selbst wie ein feiner Nebel schimmerten. Aus ihnen schwebten neunundneunzig kleine Geister in die Höhe und verteilten sich langsam. Sie waren auf der Suche nach einem ausgiebigen Nachtmahl. Nur ein Geist kletterte umständlich am Blumenstängel nach unten.
Roselotte Brombeergeist ärgerte sich, wie in jeder Nacht, dass sie nicht auch schweben konnte, doch dafür hatte sie ganz andere Talente. Niemand war so gut darin, von einer Pfütze in die nächste zu springen, denn dafür fehlten den Anderen die Füße und die passenden Stiefel. Doch in dieser Nacht war der Boden viel zu trocken für diesen Spaß.
Roselotte Brombeergeist überlegte, was sie nun anstellen konnte. Nach einem Frühstück war es ihr nicht. Sie marschierte über die Wiese, sah sich um. Vielleicht fand sich eine kleine Maus oder ein anderes nachtaktives Tierchen, mit dem man spielen oder sich unterhalten konnte.
»Magst du dir vielleicht mit uns die Zeit vertreiben?«
Roselotte folgte der Stimmte und blickte zum Himmel hinauf. Dort hingen die Sterne über ihr und winkten zu ihr herab. »Uns ist ganz schön langweilig. Magst du uns vielleicht eine Geschichte erzählen? Das kannst du so wundervoll.«
Roselotte bekam rote Wangen. Sie liebte Komplimente, wusste aber nie, wie sie darauf reagieren sollte. »Dann kommt zu mir auf die Lichtung.«
Leider war das in dieser Nacht nicht möglich. Die Sterne hatten eine wichtige Aufgabe zu erledigen. »Am nahen Hafen ist das Licht des einzigen Leuchtturms ausgefallen. Wir übernehmen seine Aufgabe und geleiten die Schiffe auf dem Meer, damit sie nicht gegen ein Riff fahren oder sich verirren. Wir würden dir aber gern vom Firmament aus lauschen.«
Das gefiel Roselotte Brombeergeist überhaupt nicht. Die Sterne waren weit entfernt. Sie hätte also sehr laut sprechen müssen. Das konnte nicht gut für ihre Stimme sein. »Ich lasse mir etwas einfallen.«
Sie streifte weiter über die Lichtung, steckte immer wieder Finger in ihren Mund und pfiff kurz. Nach einer Weile tauchten kleine Käfer auf, die in ihren Händen Lampen trugen.
Das Geistermädchen nickte ihnen zufrieden zu und lud die Glühwürmchen dazu ein, sich auf einem alten Baumstumpf niederzulassen.
»Ich werde euch jetzt immer wieder mit einem großen Farnblatt bedecken. Damit schicke ich Leuchtsignale zum Himmel. Das nennt man Morsezeichen, mit denen man sich ohne zu sprechen verständigen kann. So werde ich den Sternen eine Gute Nacht Geschichte erzählen.«
Kurz darauf eilten kleine Lichtblitze lautlos zum Himmel hinauf, die die Sterne alsbald müde machten und in ihre Träume begleiteten.

(c) 2023, Marco Wittler

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