1552. Ein Pinguin auf Reisen

Ein Pinguin auf Reisen

»Ich kann nicht schlafen.«
Der kleine Pinguin wälzte sich hin und her, setzte sich eine Schlafmaske auf und nahm sie irgendwann wieder herunter. Er versuchte sogar Schäfchen zu zählen, obwohl er nicht einmal wusste, wie diese aussahen. Er war diesen Tieren nämlich nie begegnet.
»Ich verstehe das nicht. Warum geht die Sonne nicht endlich mal unter? Wie machen das nur die anderen Pinguine?«
Man hatte schon mehrfach versucht, ihm zu erklären, dass im antarktischen Sommer am Südpol die Sonne nur einmal im Jahr auf- und genauso oft wieder unterging. »Dann ist mir eine lange Nacht lieber. Dann könnte ich endlich einmal richtig durchschlafen.«
Und weil er sonst gerade nichts anderes zu tun hatte, blätterte der Pinguin in der Zeitung, die die Post am frühen Morgen gebracht hatte. »Früher Morgen. Pah! Der letzte Sonnenaufgang ist schon ein paar Monate her. Ich kann mich kaum noch daran erinnern, wie die Dunkelheit überhaupt aussieht.«
Er blätterte durch die Seiten. Die Artikel waren alle langweilig. Er auf der letzten Seite wurde es interessanter. Dort war ein Bericht über einen gewissen Santa Claus, der am Nordpol lebte und zu Weihnachten um die ganze Welt reisen und die artigen und nicht ganz so artigen Kinder beschenken würde.
»Wow. Nordpol. Da ist es jetzt Winter und bestimmt dunkel und kalt.« Bei diesem Gedanken musste der Pinguin grinsen. Immerhin saß er im ewigen Eis. Auch wenn man hier vom Sommer sprach, war es buchstäblich so kalt wie in einem Tiefkühlfach.
»Ich würde diesen Santa Claus gern einmal besuchen. Eine Reise um die Welt muss an seiner Seite super spannend sein. Er erlebt bestimmt sehr viel und lernt noch mehr Menschen und Tiere kennen. Das muss ein Traumjob sein.« Der Pinguin begann zu grinsen. »Ich habe gerade eh nichts zu tun. Also warum mache ich mich nicht einfach auf den Weg?«
Er zuckte mit den Schultern, packte seine sieben Sachen in ein kleines Bündel und schlich sich von der Pinguinkolonie fort. Niemand merkte, dass plötzlich jemand fehlte.
Bis zum Ozean war es nicht weit. Über den Piguin-Schnellweg kam der kleine Vogel schnell zur Küste. Doch wie sollte es von hier aus weitergehen? »Ich könnte einen Wal gebrauchen, der mich mitnimmt. Aber laut Walplan kommt der nächste erst in zwei Wochen hier vorbei. Außerdem hätte ich mir dann Zuhause ein Ticket im Antarktikaweb buchen müssen. Ich muss wohl oder übel darauf warten, bis mich irgendwer mitnimmt.« Der Pinguin setzte sich auf eine Klippe und ließ gelangweilt seine Beine in die Tiefe baumeln.
In diesem Moment kam ein sonderbares Gefährt auf ihn zu. Es sah aus wie ein großer Schlitten, der von acht Tieren gezogen wurde, die gefährlich wirkende Geweihe auf dem Kopf hatten.
»Ho, ho, ho, mein kleiner, gefiederte Freund. Brauchst du eine Mitfahrgelegenheit? Ich habe noch einen Sitzplatz neben mit frei.«
Der kleine Pinguin nickte und sprang erfreut auf. »Ja, oh, ja.« Er kletterte an Bord, schnallte sich an und lehnte sich gemütlich zurück. Schon ging die Reise los.
»Wo soll es denn hingehen, fragte der alte, bärtige Mann, der die Zügel fest in den Händen hielt.
»Ich möchte den Nordpol besuchen. Ich bin es nämlich leid, dass ich hier im Süden bei so viel Licht kein Auge zumachen kann. Ich will endlich wieder ausschlafen können.«
Der Alte lachte. »Dann bist du bei mir an der richtigen Adresse. Der Nordpol ist nämlich mein nächster Stopp. Ich habe dort einiges zu erledigen.«
Der Pinguin jubelte. So viel Glück auf einmal konnte es doch gar nicht geben. Während der nächsten Stunden, die sie die Erde Richtung Norden umrundeten, sprach er beinahe ohne Pause vom Leben unter der ewig hellen Sonne, von seinen Schlafstörungen und dass er einmal Santa Claus persönlich treffen wollte.
Während des Flugs wurde es immer wärmer, je näher sie dem Äquator kamen. Von da an kühlte es sich wieder an und wurde dunkler und dunkler.
»Ich setze dich direkt am Haus des Weihnachtsmanns ab. Dann kannst du dort auf ihn warten. Er ist nämlich sehr beschäftigt und reist gerade um die ganze Welt. Aber ich bin mir sicher, dass sich seine Elfen bis zu seiner Rückkehr um dich kümmern werden.«
Der Alte kramte in seiner Manteltasche und holte eine Visitenkarte hervor. Hier ist meine Nummer. Ruf mich an, wenn du wieder nach Hause reisen möchtest. Ich komme dann her und hole dich ab.«
Der kleine Pinguin war begeistert. Besser hätte es gar nicht laufen können. Kurz darauf lag er bereits in einem Gästezimmer, dass ihm die Elfen gezeigt hatten. Hier war es kühl und dunkel. »Endlich kann ich schlafen. Das ist richtig toll.« Bevor er die Augen schloss, warf er einen schnellen Blick auf die Karte und erschrak. Dort stand Santa Claus. Stundenlang hatte er davon gesprochen, ihn zu treffen, dabei hatte er die ganze Zeit schon neben ihm gesessen.

(c) 2023, Marco Wittler

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