1619. Roselotte Brombeergeist geht ein Licht auf

Roselotte Brombeergeist geht ein Licht auf

Die kleine Lichtung im Wald lag in der Dunkelheit der Nacht. Nur wenige Sterne standen am Himmel und spendeten ein spärliches Licht.
Zur Mitternacht öffnete eine kleine, unscheinbare Blume ihre Blüte. Aus ihrem Inneren war lautes Gähnen zu hören und zwei leicht schimmernde Arme streckten sich in die Höhe.
»Ist es denn schon Zeit aufzustehen?«
Das kleine Geistermädchen Roselotte Brombeergeist …
»Hör mal! Was soll denn das?« Ihr Kopf lugte heraus. Ihre Augen blickten den Geschichtenerzähler grimmig an. »Wie oft soll ich es denn noch sagen? Mein Name ist Lotti. Das gilt auch für dich.«
Ähm … ja … tut mir leid. Also … wo war ich stehengeblieben?
Das kleine Geistermädchen Lotti kletterte aus seiner Blüte und landete mit einem dumpfen Rumms auf dem Boden der Lichtung.
Lotti sah sich um. Wo waren nur die anderen Geister? Sie war als einzige erwacht. Sie blickte zum Himmel hinauf. »Der Mond ist gar nicht da. Warum bin ich erwacht?«
Sie grübelte, dachte nach. Ihr fiel ein, dass Neumond war. In dieser Nacht, konnte kein Licht auf die Wiese fallen und damit die Geister wecken.
»Hier stimmt etwas nicht.«
Lotti wollte den Ersten Geist wecken, ihn um Rat fragen, als ein Lichtstrahl aus der Ferne sie kurz ins Auge stach.
»Das ist es. Das ist des Rätsels Lösung. Jetzt muss ich nur noch herausfinden, ob sich hinter dem Wald ein zweiter Mond befindet.«
Lotti ging los. Ihre schweren Stiefel hinterließen deutliche Spuren im weichen Boden. Das war gut. So konnte sie später problemlos den Rückweg finden.
Es ging über Stock und Stein und manch knorrige Wurzel hinweg. Das Geistermädchen umrundete Bäume und Büsche, bis sie den Waldrand erreichte. An dieser Stelle schien die Welt zu enden. Nur wenige Meter weiter begann ein großes Wasser, das bis zum Horizont reichte.
»Das muss das Meer sein. Davon habe ich schon einmal gehört. Aber hier ist gar kein zweiter Mond. Was habe ich denn nur gesehen?«
In diesem Moment stach erneut ein heller Lichtstrahl in Lottis Auge. Dieses Mal war er aber so grell, dass sie für einen Moment geblendet war.
»Das kommt von dem Turm dort drüben. Es ist gar kein Mond. Jetzt frage ich mich aber, warum er überhaupt leuchtet. Das macht doch gar keinen Sinn.«
Sie hörte über sich ein Lachen, folgte diesem mit ihrem Blick und entdeckte einen alten Mann.
»Das ist wohl der erste Leuchtturm, den zu zu sehen bekommst, kleines Geistermädchen. Magst du mir verraten, wie du heißt?«
»Ich bin Roselotte Brombeergeist. Wer es sich aber nicht mit mir verscherzen mag, nennt mich Lotti.«
»Hallo Lotti. Ich bin Knut der Leuchtturmwärter.«
Und dann erzählte Knut, welch wichtige Aufgabe er mit seinem Leuchtturm am Meer versah.
»Die Schiffe, die das Meer befahren, sind auch in der Dunkelheit unterwegs. Damit sie den richtigen Weg finden und sich nicht auf Sandbänken fest fahren oder gegen tödliche Riffe stoßen, zeigen wir ihnen, wo es lang geht. Das rettet in jeder Nacht unzählige Leben.«
»Ui.«, staunte Lotti nicht schlecht. Das war wirklich etwas ganz Wichtiges. »Ich kann mir gut vorstellen, dass ein weisendes Licht auch auf unserer Waldlichtung ganz praktisch wäre.«
Mit einer neuen Idee im Kopf verabschiedete sie sich und machte sich auf den Rückweg.
Noch in dieser Nacht kletterte Lotti auf ihre Blume, stellte sich auf einen Hocker und lockte ein paar hell leuchtende, grün schimmernde Glühwürmchen herbei. Sie tauchten in den Geisterkörper ein und ließen ihn hell erstrahlen. »Und nun wird aufgepasst, meine lieben Freunde.«
Die vielen nachtaktiven Insekten, darunter kleinste Mücken und große Motten atmeten erleichtert auf. Nun mussten sie keine Angst mehr haben, in der Dunkelheit gegeneinander zu stoßen. Sie besaßen mit Lotti nun einen eigenen Waldlichtungsleuchtturm. Das war die beste Idee, die hier jemals jemand hatte.

(c) 2024, Marco Wittler

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