Roselotte Brombeergeist hat Angst im Dunkeln
Es war tiefe Nacht, als der Mond hinter dem Horizont hervorkam und sich langsam über das Firmament schob. Er erreichte die richtige Höhe, um einen Lichtstrahl auf die Erde und mitten in eine kleine Waldlichtung zu schicken. Dieser traf eine kleine, unscheinbare Blume, die kurz darauf ihre weißen Blütenblätter öffnete.
Zwei leicht glühende Arme streckten sich in die Höhe. Ihnen folgte ein lautes und lang anhaltendes Gähnen. »Ist es denn schon wieder so weit? Muss ich jetzt aufstehen? Ich schlafe doch gern etwas länger.«
Das kleine Geistermädchen Roselotte Brombeergeist …
»Ähem!« Sie räusperte sich und blickte den Erzähler mit einer hocherhobenen Augenbraue kritisch an, der sogleich seinen Fehler erkannte und die Geschichte noch einmal von vorn begann.
Das kleine Geistermädchen, das von allen nur Lotti genannt werden wollte, richtete sich auf und sah sich um. »Hä?« Wo ist denn der Mond? Wie konnte ich ohne seine Hilfe aufwachen und … warum sehe ich überhaupt nichts?«
Tatsächlich war es so finster in dieser Nacht, dass Lotti nicht einmal ihre leicht glühende Hand vor Augen sehen konnte. Das Licht wurde von der Finsternis einfach verschluckt.
»Ähm … was soll das? Was ist hier los? Ich finde das überhaupt nicht lustig.«
Lotti lief in ihrer kleinen Blüte umher, stolperte immer wieder über die am Boden liegenden Pollen und wäre einmal sogar fast über die Blütenblätter in die Tiefe gestürzt.
»Ich muss blind sein. Es gibt keine andere Erklärung dafür. Selbst wenn es stark bewölkt ist, kann man noch ein wenig in der Dunkelheit erkennen. Aber hier ist gar nichts.«
Panik machte sich in dem kleinen Geistermädchen breit. Sie brauchte Hilfe. Sofort.
»Sie schrie so laut sie konnte. Jeder Geist, der noch in seiner Blüte schlief, wurde jäh aus seinen Träumen gerissen.
Der Erste unter ihnen, war schnell am Ort des Geschehens. »Roselotte Brombeergeist, was ist passiert?«
Lotti war so fertig, dass sie sich gar nicht über ihren Namen aufregen konnte. »Ich bin in völliger Finsternis gefangen Ich kann nichts mehr sehen.«
Dafür hörte sie umso besser, wie der Erste genervt seufzte. »Halt still!« Er griff ihr an den Kopf, zog die Augenbinde vom Gesicht, die sich Lotti vor dem Schlafengehen aufgesetzt hatte und drückte sie ihr in die Hand. »Du solltest dir merken, was du alles überziehst. Dann musst du auch keine Angst haben.«
Lotti verzog das Gesicht zu einem schiefen Lächeln. Ihre Wangen liefen rot an. Weil sie nicht wusste, was sie sagen sollte, blieb sie lieber still und verkroch sich zurück in ihre Blüte.
(c) 2024, Marco Wittler
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