1654. Es geht um die Wurst

TRIGGER WARNUNG / CONTENT NOTE:
Bitte lies meine Geschichten einmal selbst, bevor du sie deinen Kindern vorliest. Sie sind zu Halloween etwas gruseliger, auch wenn sie lustig enden. Bitte bewerte vorher, ob dein Kind die Geschichten bereits versteht, damit umgehen kann und sich nicht zu sehr gruselt.

Es geht um die Wurst

Es war Nacht geworden. Der große Wald von einer dicken Decke aus Dunkelheit bedeckt. Alles schlief friedlich, nur ein paar wenige Grillen zirpten in den Büschen, in denen sie Schutz gesucht hatten. Lediglich der Vollmond am Himmel spendete etwas Licht.
In diese Stille mischten sich plötzlich leise Schritte, die aus der Ferne schnell näher kamen. Zwölf dunkle Schatten marschierten im Gleichschritt den schmalen Weg entlang und näherten sich unaufhörlich der Stadt. Um eventuellen Verfolgern nicht sofort zu verraten, wie viele sie waren, traten sie immer in die Fußstapfen des Anführers.
Es waren Werwölfe, die von ihrem unstillbaren Hunger angetrieben wurden. Sie wollten nicht nur, sie mussten ihre Mägen füllen.
„Könnt ihr da drüben nicht mal leiser sein? Ich verhaltet euch wie eine Truppe Kinder, die nichts davon ahnen, wie gefährlich es im Wald sein kann.“
Die Werwölfe hielten inne. Wer war dort? Wer hatte sie entdeckt und leichtsinnigerweise angesprochen? Sie sahen sich um. Mit messerscharfem Blick entdeckten sie zwölf Männer, die sich lautlos auf dem parallelen Weg befanden.
„Wer wagt es, um so dreist aus der Dunkelheit heraus anzusprechen? Wisst ihr denn nicht, wer wir sind?“
„Ihr seid ein von Flöhen besetztes, räudiges Rudel Werwölfe, dass selbst neben einer lauten Autobahn noch so viel Krach machen würde, dass es während des Silvesterknallens gehört wird.“
Das Knurren des Werwolfanführers schwoll an. Vor Wut brüllte er die Fremden an. Er machte einen kräftigen Sprung und landete direkt vor dessen Füßen. „Du Made wirst dich sofort entschuldigen, sonst beiße ich dir den Kopf ab und werde ihn fressen.“
Der Fremde, offenbar ein Mensch, öffnete den Mund zu einem Grinsen. Dabei blitzten zwei lange, spitze Eckzähne auf. „Du … du bist ein Vampir!“
Der Vampir lachte und zeigte auf seine Begleiter. „Das sind wir alle.“
Der Werwolf winkte seine Gefährten zu sich. Er wollte sich seiner Verstärkung sicher sein, denn mit Vampiren war nicht zu spaßen.
„Wo wollt ihr denn so spät in einer Vollmondnacht noch hin? Solltet ihr nicht in Särgen in euren Grüften liegen?“
Der Vampir zuckte mit den Schultern. „Es ist noch früh. Die Nacht wird noch lange dauern. Wir sind auf dem Weg, unseren Durst zu stillen.“
Der Werwolf knurrte. „Und wollt uns unser Futter vor der Nase wegschnappen.“ Er packte zu, schlug seinen Gegenüber ins Gesicht.
Es begann eine wilde Rauferei. Ein paar Werwölfe nahmen die Vampire in den Schwitzkasten, während die übrigen Vampire ihre Gegner zu Boden drückten.
„Hört endlich auf.“, rief irgendwann der Anführer der Vampire. „Wir sind Veganer. Wir trinken kein echtes Blut. Das machen wir schon sehr lange nicht mehr. Wir wollen nur ein paar Flaschen Blutorangensaft trinken.“
Die Werwölfe hielten inne. Die Kämpfe hörten auf. „Veganer? Warum sagt ihr das denn nicht gleich? Wir sind auch Veganer. Wir sind auf dem Weg, um einen leckeren Salat zu essen und eine Bloody Mary zu trinken.“
Sie standen auf, klopften sich den Dreck von Fell und Anzügen und begannen zu lachen. Wenn sie das nur eher gewusst hätten. Sie tauschten ein paar Freundlichkeiten aus, stellten sich gegenseitig mit Namen vor und setzten den Weg in die Stadt gemeinsam fort.
Nach ein paar Kilometern hatten sie unerkannt das Zentrum erreicht und fanden sich auf einem Marktplatz wieder. „Es ist Zeit, dass nun jeder von uns seines Weges geht.“
Der oberste Vampir nickte. „Dann geht ihr mal. Wir bleiben selbstverständlich hier.“ Sie wandten sich ab, steuerten auf eine kleine Spelunke zu.
„Hey!“ Nun knurrte der Werwolf wieder. „Ihr sollt verschwinden. In der Spelunke sind nicht genug Sitzplätze für vierundzwanzig Gäste. Haut ab.“
Dass sie das selbe Ziel hatten, war kein gutes Omen. Ein zweites Mal stürzten sich die beiden Gruppen aufeinander. Es wurden Zähne gefletscht. Die Fäuste flogen. Es begann erneut eine wilde Prügelei, nur dieses Mal hörten sie nicht wieder auf, weil sie etwas gemeinsam hatten. Über Stunden fielen sie immer wieder übereinander her, bis am Horizont die Sonne aufging und einer erster Lichtstrahl auf den Marktplatz traf.
Vierundzwanzig Kehlen begannen zeitgleich unter unglaublichen Schmerzen zu schreien. Die Vampire verpufften zu Staub, während die Werwölfe ihr Fell verloren und nackt in der Öffentlichkeit standen. Peinlicher konnte es nicht mehr werden. Die verbliebenen Zwölf liefen in größter Panik davon.

(c) 2024, Marco Wittler

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